Kammerspiel: Der fünfte Fall für Rünz (German Edition)
dass Sie und ich uns ab und an auch über Privates unterhalten,
haben Sie sich von ihr ausquetschen lassen wie eine Zitrone. Geben Sie zu, Sie haben
ihr alles verraten, was ich Ihnen über meine Ehe erzählt habe.
Klient: Na ja, ich dachte,
es könnte etwas deeskalierend auf den Scheidungskrieg wirken, wenn ich versuche,
Ihrer Exfrau Ihre Sicht der Dinge etwas näherzubringen. Warum lachen Sie
so hämisch?
Detektiv: Sie
müssen wirklich gedacht haben, sie steht auf Sie, Jacques. So naiv kann doch ein
Mensch allein gar nicht sein. Und schon gar kein Analytiker. Sie balzt Sie an, weil
Sie der perfekte IM sind, ein Maulwurf mitten im Herz des Klassenfeindes. Sie hat
Sie nach Strich und Faden ausgenutzt!
Klient: Natürlich, Karl.
Und wie immer stehen Sie im Mittelpunkt der Weltgeschichte.
Detektiv: Was
sollen diese dämlichen Sprüche, Jacques?
Klient: Ganz gleich,
was Ihre Exfrau tut oder lässt, ob sie mit einem anderen Mann einen Kaffee trinkt,
es scheint ihr dabei – in Ihrer Vorstellungswelt – immer nur um Sie zu gehen.
Eine Erklärung, die dem Narziss in Ihnen schmeichelt. So bleiben Sie für immer der
Mittelpunkt des Lebens Ihrer Exfrau. So wichtig, dass sie sogar bereit ist, für
Informationen über Sie mit einem anderen Mann anzubandeln. Mal ganz ehrlich, Karl:
Wie geht es Ihnen bei der Vorstellung, dass sich Ihre Exfrau ganz entspannt mit
einem anderen Mann trifft und dabei ausschließlich an eine Zukunft ohne Sie
denkt, und nicht an die Vergangenheit mit Ihnen? Beunruhigend, oder?
Detektiv: Verdammt,
ich habe Sie nicht als Therapeut engagiert! Sie sind mein Klient, halten Sie die
Finger über der Bettdecke und aus meinem Privatleben raus!
Klient: So wie
Sie Ihre Finger aus meinem Privatleben halten? Darf ich an Ihre kleine Rechercheaktion
bezüglich meiner Identität erinnern? Und überhaupt: Gehören die persönlichen Beziehungen
Ihrer Exfrau noch zu Ihrem Privatleben, Karl? Jede Wette: Als ich Ihnen vor ein
paar Tagen von der Begegnung mit ihr unten am Eingang erzählte – stürmten Sie nicht
sofort nach unserem Arbeitsgespräch runter zum Briefkasten, um zu sehen, was sie
eingeworfen hat? Und hofften Sie nicht insgeheim auf ein intimes, handgeschriebenes
Eingeständnis ihrer immer noch innigen Zuneigung Ihnen gegenüber. Eine stille, verzweifelte
Liebeserklärung, die Ihrem Ego so richtig Zucker gegeben hätte. Aber nach meiner
kleinen Unterhaltung mit Ihrer Exfrau tippe ich eher auf eine kühle und nüchterne
Auflistung ehemaliger gemeinsamer Haushaltsgegenstände, deren Zuteilung noch zu
klären ist.
Detektiv: Ach,
hören Sie doch auf, Jacques. Das klingt alles nach Vordiplom Vulgärpsychologie.
Klient: Sie
sind gekränkt, das verstehe ich. Was mich angeht – ich fand das Treffen mit Ihrer
Exfrau äußerst amüsant. Dieser Perspektivwechsel, dieselben Szenen, dieselbe Beziehung,
aus einem völlig anderen Blickwinkel! Faszinierend. Ich hatte das Gefühl, Sie von
einer ganz neuen Seite kennenzulernen. Vielleicht ist die Konzentration auf die
Weltsicht des Analysanden doch der Schwachpunkt der Psychoanalyse …
Detektiv: Sind
Sie danach mit ihr ins Bett gegangen?
Klient: Na,
endlich kommen Sie zum Punkt, Karl! Jetzt brechen die archaischen Anteile bei Ihnen
durch. Der Albtraum des Männchens in der Urhorde: Das Weibchen wird von einem Nebenbuhler
befruchtet. Sie wirken plötzlich so nachdenklich. Was geht Ihnen durch den Kopf?
Detektiv: Ich
weiß nicht. Sie waren bei allen unseren Treffen in den letzten Wochen immer überpünktlich,
eher zu früh als zu spät. Und ausgerechnet an dem Tag, an dem ich um 10:00 Uhr vormittags
vor Gericht mein privates Waterloo erlebe, tauchen Sie nicht wie vereinbart um 12:00
Uhr in meiner Detektei auf, sondern über eine Stunde später. Blendend gelaunt, fast
euphorisch. Und wenn mich nicht alles täuscht – mit einer leichten Alkoholfahne.
Klient: Ja,
vielleicht ist zum gleichen Zeitpunkt in China noch ein Sack mit Reis umgefallen.
Worauf in aller Welt wollen Sie hinaus?
Detektiv: SIE
HABEN SICH EBEN MIT IHR GETROFFEN! Sie haben mit ihr auf ihren Triumph angestoßen.
Klient: Und
wenn? Warum sehen Sie die Sache nicht mal aus der sportlichen Perspektive, Karl?
Warum versuchen Sie nicht, mich als Maulwurf in der Kommandozentrale des Feindes
nutzen? Warum machen Sie aus mir keinen Doppelagenten in Ihrem Rosenkrieg? Haben
Sie das in Gedanken nicht längst getan? Ist das nicht die einzig plausible
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