Kampf Dem Chaos
für Antonas Schreibtisch herauszuholen, um den Unterbau genauer zu entwerfen. Im Gegensatz zu Onkel Sardit musste ich mir so manches vorher aufzeichnen. Vielleicht hatte auch er das in jüngeren Jahren getan.
Kilbon traf kurz vor Mittag auf einer knochigen braunen Stute hier ein. Das Geräusch von fremden Hufen erregte meine Aufmerksamkeit und ich lugte aus der Werkstatttür hinaus. Kaum stand seine Stute im Hof, streckte auch Rissa den Kopf aus der Küchentür heraus.
Kilbon war ebenso dürr wie sein Pferd, aber er lachte übers ganze Gesicht, als er Rissa sah. Mich begrüßte er mit einem Kopfnicken. »Meister Lerris?«
»Kilbon. Danke, dass du mir hilfst. Ich suche zwar einen Lehrling, aber so lange ich keinen habe ...« Ich zuckte die Achseln.
»Eine gute Hilfe ist nicht so leicht zu finden.«
»Besonders wenn der Meister sich nur mit einem Burschen zufrieden gibt, der schlau ist und ein Gefühl für Holz hat und keine zwei linken Hände«, fügte Rissa hinzu.
»Ah, Rissa, mein Schatz, wenn ich Meister Lerris wäre, würde ich das auch verlangen. Ich könnte auch keinen Lehrling gebrauchen, der die Binsen beim Binden abbricht.«
Rissa blickte von Kilbon zu mir und wieder zurück.
Kilbon sah zwar schmächtig aus, aber in ihm steckten ungeahnte Kräfte. Im Nu hatten wir den Schreibtisch und den Stuhl auf den Wagen gehievt. Fürs Polstern und Abdecken brauchte ich doppelt so lange. Und ich vergaß auch meinen Stab nicht.
Ich bot Kilbon zwei Kupferlinge an, aber er schüttelte den Kopf.
»Nein, nein. Vielleicht kann ich Eure Hilfe auch einmal gebrauchen ...«
Ich lächelte. »Aber Gerechtigkeit muss sein.«
»... vielleicht hat ja mein Schatz ein warmes Essen für mich auf dem Herd stehen.« Er zwinkerte mir zu und lächelte Rissa liebevoll an. Dann legte er den Arm um ihre Schulter.
Rissa strahlte den Korbmacher an.
»Und Ihr seid sicher, dass ich nicht mitfahren soll?«
»Genieß lieber das warme Essen von deinem Schatz«, schlug ich ihm vor.
»Meister Lerris ...« Rissas Gesicht lief rot an.
Ich zog an den Zügeln und die schwarze Stute trabte murrend los. Noch immer blies der kalte Wind aus Nordwesten, ich wähnte mich fast in den Westhörnern, so kalt war es, als ich den Wagen nach Kyphrien lenkte.
Ein Wächter vor der Residenz des Autarchen winkte mir zu, als ich vorbeifuhr. Ich winkte zurück, obwohl ich ihn nicht kannte. Die Zahl der mir unbekannten Menschen, die mich auf der Straße grüßten, überstieg allmählich die Zahl der bekannten.
Werfels Haus und Fuhrunternehmen befand sich nordwestlich von Kyphrien an der Straße nach Meltosia. Als ich meinen kleinen Wagen die festgestampfte Auffahrt hinauflenkte, kam mir ein blauer Wagen entgegen, der mindestens zwei Mal so groß war wie meiner. Der Fahrer grüßte. Die seitliche blaue Holzumrandung des Wagens zeigte ein Bild mit Pferd und Wagen – eigentlich nur die schwarzen Umrisse davon – und der Name W ERFEL stand darunter.
Auf einer kleinen Anhöhe erreichte ich das Anwesen, die weiß gestrichenen Gebäude formten ein Viereck um einen Hof in der Mitte. Zwei Seiten des Vierecks dienten als Wohnhäuser, die anderen zwei als Ställe und Scheunen. Die Türen der Wohnhäuser führten zum Hof, die der Ställe und Scheunen hingegen hinaus auf die Straße.
Es gab keine Wachen weit und breit. Hier herrschten andere Zustände als bei Hensil: Nur ein breitschultriger Kutscher, der aussah, als könnte er Hensils Wachen alle miteinander zum Frühstück vertilgen, ohne mit der Wimper zu zucken, zeigte mir den Weg.
»Sucht Ihr Meister Werfel? Er ist in seinem Arbeitszimmer dort um die Ecke.«
Ich zog sachte an den Zügeln, um zu verhindern, dass der Wagen einen Satz machte, und lenkte das Pferd um die Südseite des Gebäudes. Als ich die Bremse gezogen hatte und abgesprungen war, stand Werfel auch schon in der schweren, mit Eisenbeschlägen verstärkten Tür.
»Meister Lerris ... Ihr beliefert einen Fuhrunternehmer?«
»Warum nicht? Ich hätte sowieso herfahren müssen, um Euch mitzuteilen, dass Tisch und Stuhl fertig sind.«
Werfel lachte und wandte sich an den großen Kutscher, der mir gefolgt war. »Das ist ein guter Geschäftsmann, er verschwendet keine Zeit.«
Dann winkte er und der große Kutscher und ein weiterer Arbeiter gingen ins Haus hinein. Heraus kamen sie mit einem einfachen Tisch, den sie neben der Tür abstellten. Sie hoben den neuen Schreibtisch mit einer Leichtigkeit vom Wagen, als wöge er nicht schwerer als eine Säge
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