Kampf Dem Chaos

und Meeresgrund und der Ordnung, die sich quer durch Recluce zog, von Landende bis hier herunter, wo wir nun standen.
    Die Tiefe schien meine Kräfte zu schlucken, sich über mich lustig zu machen. Der Schweiß stand mir auf der Stirn und Krystal berührte meinen Arm, ganz sanft, um mich zu beruhigen. Ich spürte ihre Angst und die Kraft in ihrem Arm, als sie das Heft ihres nun nutzlosen Schwertes umgriff.
    Während ich mit meinen Ordnungs-Bahnen die Chaos-Schlösser im tief liegenden Eisen aufstemmte, füllte die hamorische Flotte den gesamten südlichen Horizont aus, ein schwarzer Rumpf neben dem anderen; weißer Rauch stieg aus jedem einzelnen Schornstein, unermessliche Ordnung mechanisch in all dem Stahl eingeschlossen. Stahlkugeln um Stahlkugeln, gefüllt mit Pulver und Chaos, reihten sich in den Laderäumen aneinander. Begleitet wurden sie von fast achtzig Frachtschiffen, die die Truppen mit dem Sonnenbanner beförderten. Mich durchlief ein Schauder, als ich an die vielen tausend Soldaten dachte, die alle doch irgendwie unschuldig waren – und doch würden sie nicht zögern zu töten, sollten sie wirklich auf Recluce landen können.
    Ich wünschte, Kaiser Stesten befände sich auf einem der Schiffe. Die Herrscher sollten sich den gleichen Gefahren aussetzen wie die Soldaten und Matrosen.
    »Dunkelheit ...« Haithen starrte auf den Golf.
    Jinsa zog ihr Schwert und prüfte eingehend die Klinge.
    »So viele Schiffe habe ich noch nie auf einmal gesehen ...«, murmelte Dercas.
    Auch ich hatte das nicht, aber das sagte ich nicht.
    »Es sind nur Schiffe«, bellte Tamra. Sie trat neben meinen Vater, der sich bereits auf die Stürme konzentrierte, und blieb stehen.
    »Das sind wirklich viele«, meinte Jinsa.
    Viele Schiffe bedeuteten viele Kanonen und noch mehr Kugeln, und Tod. Ich schluckte. Viele Tote auf beiden Seiten.
    Krystal umklammerte ihr Schwert fester, zwang jedoch ihre Hand sich zu entspannen, als die Flotte näher kam.
    Hinter uns studierte Sardit noch immer die Mauer.
    Mein Vater schloss die Augen. Ordnungs-Linien, unsichtbar, doch trotz des Fehlens einer sichtbaren Substanz wirklich, loderten aus seinen Armen in den klaren, blaugrünen Himmel. Eine Zeit lang stand er regungslos da. Dann atmete er tief ein, entspannte sich jedoch nicht. »Es hat begonnen.«
    Ich spürte die gleichen Energie-Linien, die Tamra nun ausstrahlte; ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
    Der Nebel, den die hamorische Flotte vor sich hatte, verdichtete sich und das Sonnenlicht schien schwächer zu werden, der Himmel trüber. Hoch oben bildeten sich diesige Wolken.
    Ich fühlte tiefer in die Erde und versuchte das Eisen unter Recluce als Hebel zu benutzen, um die tiefliegende Ordnung aus dem Golf heraufzubefördern.
    Das Beben verstärkte sich und ein kleiner Felsen brach aus den Klippen unter der Mauer, er stürzte hinunter und fiel mit einem Klatschen ins Wasser.
    Das Licht um uns herum wurde schwächer.
    »Das Beben in Hydlen war nichts gegen das hier ...«, meinte Dercas zu Jinsa.
    »Wenn es so weit ist, lass deine Klinge sprechen«, antwortete diese.
    Haithen schüttelte den Kopf, ihre Augen wanderten unaufhörlich von den noch weit entfernten schwarzen Punkten zu den Wolken, die sich nun hinter uns am nördlichen Himmel zusammenballten.
    Mein Vater ging zu meiner Mutter und umarmte sie. Tränen rannen ihr übers Gesicht, aber sie sagte nichts, als sie sich lange in den Armen lagen. Dann richtete er sich auf und trat an den Abgrund der Klippen. Die heraufquellenden Nebelschwaden hatten ihn bald vollständig umhüllt. Eine zweite, mit der ersten verbundene Nebelwolke waberte um Tamra.
    Elisabet trat vor und Dunkelheit legte sich wie ein Schleier um sie, doch sie regte sich nicht, folgte weder Justen noch meinem Vater – obwohl sie Justen auf vollkommene Weise ergänzte.
    »Fertig?« Justen blickte von Weldein und der Abteilung grün gekleideter Soldaten, die uns bewachten, zu meinem Vater und dann zu Krystal und mir. Dayala hielt seine Hand.
    Ich weitete die Ordnungs-Kanäle noch mehr, suchte die geeignetsten Plätze dafür im Wasser unter mir.
    Ein Krach wie von einem Blitz durchtrennte die Luft, obwohl ich kein Feuer entdecken konnte.
    Am Abgrund, dort wo sich Mauer, Klippen, Luft und Meer zu treffen schienen, stand mein Vater zusammen mit Tamra. Ordnungs-Bänder erstreckten sich von seinen Händen wie Schwarzes Eisen hoch hinauf bis zu den hohen Winden, den großen Winden, die ich als Kind erfolglos zu erreichen versucht