Kampf der Ehre (Band 4 im Ring der Zauberei) (German Edition)
Außenwände waren Reihen von Büchern aufgestapelt so weit das Auge reichte – alte Bücher, dicke, dünne, in Leder gebunden, oder in Silber und Gold, die exotischsten und kostbarsten Bücher, die er je gesehen hatte. Sie glänzten und sahen aus wie Kunstwerke.
„Dieser Ort ist großartig. Hast du alle diese Bücher gelesen?”, fragte er ehrfürchtig.
Gwen musste lachen
„Ich wünschte es!“, sagte sie. „Ich habe es sicherlich versucht. Darum verbringe ich auch die meiste Zeit hier. Meine Geschwister haben sich immer über mich lustig gemacht, weil ich ein Bücherwurm bin. Aber das ist ein großer Teil meines Lebens.“
Plötzlich fiel Thor etwas ein.
“Darum hat dein Vater auch dich als Regentin ausgewählt.“, sagte er. „Er dachte du bist die klügste.“
Gwen blickte ihn an, als ob sie diesen Gedanken zum ersten Mal in Erwägung ziehen würde. Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Meine Brüder sind auch sehr klug.”
Doch Thor wusste, dass sie nur bescheiden war. Sie an diesem Ort zu sehen, wie sehr sie hier zu Hause war, zeigte sie ihm in einem neuen Licht; er sah zum ersten Mal wie gebildet sie war, konnte die Klugheit in ihren Augen sehen, und plötzlich machte alles einen Sinn. Er erkannte, dass Gwendolyn ihre eigene Quelle der Kraft hatte. Wissen. Weisheit die bei weitem das Übertraf, was Thor jemals würde erlernen können. Es war inspirierend. Und er hatte das nie von ihr erwartet, so wunderschön wie sie war, und so selten wie Frauen im Königreich eine derart wissenschaftliche Ausbildung erhielten.
„Du kommst spät für deinen heutigen Unterricht“, kam eine Stimme
Thor wandte sich um und sah einen alten Mann auf sie zukommen. Sein Gesicht faltig und er hatte graue Haare und trug eine grün-violette Robe des Königlichen Rats. Er hinkte, langsam, ein wenig vornübergebeugt und auf einen Stock gestützt. Die goldene Spitze des Stocks klapperte auf dem Steinboden. Er lächelte Gwen warm an und auf seinem Gesicht zeigten sich unzählige Falten.
Gwen räusperte sich.
„Thor, das ist Aberthol. Er ist der Königliche Gelehrte. Er war der Berater meines Vaters und meines Großvaters vor ihm.“
„Und seines Vaters vor ihm.“, fügte Aberthol mit rauer Stimme lächelnd hinzu. „Aber nicht des neuen Königs.“, fuhr er ernst fort. „Nicht mehr.“
Gwen sah ihn erschrocken an.
“Wirklich?”, fragte sie.
Er nickte.
“Nicht mehr seit gestern. Es war zu viel. Ich konnte seine Demütigungen nicht mehr ertragen. Er hat ohnehin einen neuen Rat um sich herum versammelt. Junge Leute. Jeder einzelne von Ihnen scheint darauf bedacht zu sein, ihn möglichst schlecht zu beraten. Ich nehme noch immer an den Ratssitzungen teil, aber das ist nur noch eine Formsache.“
Aberthol schüttelte traurig seinen Kopf.
„Euer Vater würde sich im Grabe umdrehen.“, sagte er. „ Das verheißt nichts Gutes für den Ring. Es verheißt überhaupt nichts Gutes. Wenn Wissen und Weisheit durch Ignoranz und Überheblichkeit ersetzt werden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Hof zusammenbricht – und das Königreich mit ihm. Denn worauf sind der Hof und das Königreich aufgebaut, wenn nicht auf Wissen und Weisheit? Alles andere – Waffen und Krieger und Reichtum und Macht – all das folgt ihnen. Weisheit ist das Fundament jedes Königreichs. Vergiss das niemals Gwendolyn“
„Ich habe gehört, dass du regieren wirst.“, fügte er hinzu.
Gwens Augen weiteten sich vor Überraschung.
„Woher weißt du das?“, wollte sie wissen.
Er lächelte sie an.
„Ich habe meine Quellen“, sagte er. “Selbst als alter Mann wie ich es bin. Worte verbreiten sich schnell in King’s Court. Zu schnell. Doch in diesem Fall bin ich hoch erfreut, die Worte zu hören. Ich habe schon immer gewusst, dass du eine große Herrscherin werden würdet. Grösser noch als dein Vater.“
Gwen errötete und blickte zu Boden.
„Ich bin noch keine Herrscherin.“, sagte sie. „Mein Bruder regiert noch. Und es gibt keine Anzeichen dafür, dass er zurücktreten könnte.“
Aberthol zuckte mit den Schultern.
„Ein Apfel mit einem faulen Kern kann sich nur für eine gewisse Zeit halten.“, sagte er. „Entweder wird er fallen, oder das Königreich fällt zuerst. Beides ist unerträglich. Vergiss deine Bescheidenheit und bereite dich vor. Der Ring braucht dich. Jetzt ist nicht die Zeit für Sanftmut. Jetzt ist es an der Zeit, Stärke zu demonstrieren. Nimm die Rolle die dir zugedacht ist an und
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