Kampf der Gefuehle
Engländer keine Schuld trifft? Können Sie sich denn gar nicht vorstellen, dass er einen Grund haben könnte, mich aus dem Wege zu räumen?«
Ariadne stockte der Atem. »Wollen Sie damit sagen, dass er in Ihnen ein Hindernis sieht?«
»Ist das so schwer zu glauben? Sie sind eine schöne und reiche Frau ohne jeglichen Anhang. Das macht Sie für einen Mann ohne Skrupel zu einer reifen Pflaume, die es nur zu pflücken gilt.«
»Das ist ja lächerlich. Monsieur Blackfords Verhalten weist in nichts darauf hin, dass er solch ein Ziel verfolgt.«
»Haben Sie denn darauf geachtet? Oder haben Sie sich so auf seine Unterweisungen konzentriert, dass Sie nichts davon mitbekommen haben?«
Jäh fiel ihr ein, mit welch brennendem Blick er sie angesehen hatte, fiel ihr ein, wie seidig glatter Stahl über Stahl geglitten war, auf langsame, höchst anzügliche Weise. In ihrem Unterleib loderte Hitze auf, die ihr bis ins Gesicht stieg.
Nein, das war undenkbar. Sie und der Engländer waren in ihrem ganzen Denken und Fühlen viel zu weit auseinander, als dass sie je etwas anderes als Lehrer und Schülerin hätten sein können. Das Einzige, was sie miteinander verband, waren ein sinnloser Tod und seine Konsequenzen. Wenn das geregelt war, würde es zwischen ihnen nichts mehr geben, nicht das Geringste.
»Bitte blicken Sie nicht so finster drein, ma chere«, sagte Sascha, indem er ihre Hand ergriff. »Ich würde alles tun, um Ihnen Kummer zu ersparen. Selbst meine Ehre würde ich opfern, wenn das möglich wäre. Ich bete Sie an, wie Sie wissen, und heute Abend habe ich auf eine passende Gelegenheit gewartet, um mich von Ihnen zu verabschieden, für den Fall... für den Fall, dass mir morgen früh etwas zustößt. Ich hatte vor, diskret zu sein, wollte nur Dinge sagen, die später als Abschiedsworte in ihrer Erinnerung fortbestehen könnten. Aber da Sie von dem Duell wissen ...«
»Lassen Sie das«, fiel sie ihm mit gepresster Stimme ins Wort. »Das kann ich nicht ertragen.«
Wenn er umkommen sollte, würde es ihre Schuld sein, da dieses Duell eine Folge ihres Racheplans war. Und wenn der Engländer getötet wurde, was dann? Dann wäre sie nie in der Lage, einen Schlussstrich unter Francis' Tod zu ziehen.
»Wie Sie wünschen.« Sascha neigte den Kopf, wobei sein kurz geschnittenes Haar wie Silberdraht im Gaslicht schimmerte. »Aber Sie müssen mir versprechen, dass Sie nicht so töricht sein werden, wegen dieser Angelegenheit zu Blackford zu gehen.«
Sie hatte das Gefühl, als läge ihr ein Gewicht auf den Schultern und drücke sie zu Boden. Gleichzeitig verspürte sie im tiefsten Innern ein eisiges Gefühl, das ihr das Denken erschwerte. Nichtsdestotrotz verfügte sie noch über so viel Verstand, dass sie es vermied, ein regelrechtes Versprechen abzugeben. »Das wäre zweifellos ein Fehler.«
»In der Tat. Außerdem bin ich mir sicher, dass Ihr Gefühl für Würde Ihnen das verbieten würde.« Er führte ihre Hand an seine Lippen und zog sie näher zu sich heran. »Und jetzt wünsche ich Ihnen eine gute Nacht. Sie gestatten?«
Sie ließ es geschehen, dass er sich vorbeugte, um sie erst auf die eine und dann auf die andere Wange zu küssen. Danach drehte er sich um und entfernte sich. Sein Gang war fest und kraftvoll, wirkte jedoch nicht ganz so großspurig wie gewöhnlich. Während sie beobachtete, wie er sich seinen Weg durch die Gäste bahnte und auf die Tür zuging, hallte das, was er gesagt hatte, in ihrem Kopf nach.
Ihr Gefühl für Würde.
Was spielte das für eine Rolle, wenn das Leben zweier Männer auf dem Spiel stand?
Es war ihr ein Leichtes, Maurelle davon zu überzeugen, dass ihre Nerven überreizt waren und dass sie deshalb sofort nach Hause gehen wolle. Voller Mitgefühl holte ihre Freundin ihren Umhang und sorgte dafür, dass sie Begleitung hatte, indem sie Ariadne einer ihrer verheirateten Freundinnen und deren Mann anvertraute, die zufällig denselben Weg hatten. Diese Fürsorge erfüllte Ariadne mit Dankbarkeit, auch wenn sie Maurelle gegenüber ein schlechtes Gewissen hatte.
Sobald sie in ihrem Schlafzimmer war, ging sie mit wehendem Umhang auf und ab und überlegte, wie sie mit dem englischen maitre d'armes in Kontakt treten konnte. Sie hatte keine eigene, treue Bedienstete, die sie mit einer Botschaft hätte losschicken können, und wenn sie auf das Dienstmädchen Adele zurückgriff, stand zu befürchten, dass die Neuigkeit schon am nächsten Morgen in der ganzen Stadt bekannt sein würde. Überdies
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