Kampf um das Zauberschwert "Drachenauge"
Wegelagerer und Wilderer namens
Jennerbier wurde gefaßt beim Morden. Der Typ legte eine Generalbeichte ab und
gestand auch das Verbrechen am Forstmann Gutmütz. Krachwang, der Vater, nahm
Rache. Er kenne, tat er kund, den genauen Ort vom Zauberschwert Drachenauge und
Trauthildes sterblichen Resten. Aber wegen der Ungerechtigkeit an seinem Sohn
werde er sein Wissen mitnehmen ins Grab. Kurz darauf verschied der
Büchsenmacher, der auch als Mechaniker und Tüftler große Klasse war. Niemand
bedauerte seinen Tod. Denn alle hielten seine Behauptung für eine billige
Masche — um seine Heimatstadt zu ärgern. Doch noch lebte Krachwangs Schwester
Isolde, verwitwete Möhrlein.“
„Möhrlein“, prustete Klößchen.
„Er sieht die Radieschen von unten, und sie heißt Möhrlein.“
„Willi!“ sagte Gaby streng.
„Halt doch endlich die Klappe!“ Klößchen schloß die Augen und stellte sich tot.
„Bevor sie um 1850 das
Zeitliche segnete“, erzählte Karl, „tischte sie ihren Mitmenschen einen Knaller
auf: Krachwang habe einen Plan gezeichnet vom Versteck, wo Trauthildes Knochen
modern und Drachenauge rostet. Diese Kenntnisse habe er von Johann, der das
Verlies zufällig entdeckte — vermutlich bei seinen ungezählten Pirschgängen in
der Pampa.“
„An der Stelle können wir
anfangen zu denken“, sagte Tim. „Oder geht’s noch weiter?“
„Etwas noch. Krachwang habe den
Schatzplan zerschnitten in Puzzlestücke — vier oder fünf — und diese irgendwo
versteckt. Irgendwo. Der Büchsenmacher wollte es somit dem Zufall überlassen,
ob Drachenauge — dieses überaus wertvolle Schwert — je gefunden wird. Dieser
zerschnittene Schatzplan — davon können wir wohl ausgehen — existiert nicht
mehr. Hat sich in Wohlgefallen aufgelöst. Oder wird niemals gefunden.“
„Aber gefunden“, sagte Tim,
„haben wir die Höhle. Mit einem Gedicht an der Wand, das Krachwang verfaßt hat.
Leute, ich wette darauf: Hinter der Steinplatte, die den Gang versperrt,
befindet sich Trauthildes Grab.“
Klößchen richtete sich auf.
„Mit dem Zauberschwert?“
„Sicherlich.“
„Und Schindler kümmert sich
darum einen Dreck.“
Tim sprang auf. „Der ist ja
auch nicht wie wir. Es war dusselig, ihn überhaupt zu fragen. Ich bin froh,
wenn er abhaut zum Ende des Schuljahres.“
„Häh?“ staunte Klößchen.
„Waldemar Schindler verläßt uns?“
„Hat er doch neulich selbst
verkündet. Wir sind ihm zu frech, zu harsch, zu wenig domestiziert (gezähmt). Er mag lieber Hausschweine als Wildsäue, hat er gesagt. Deshalb läßt er sich an
eine Mädchenschule versetzen.“
„Da wird er sich aber wundern“,
lachte Gaby.
In Denkerpose legte Tim die
Hand an die Stirn. „Drachenauge! Das wäre ein Coup. Wir finden den Zahnstocher,
kriegen eine Taschengeld-Aufbesserung vom Landeskulturamt, kommen in die
Zeitung, haben dem zuständigen Museum ein Exponat (Ausstellungsstück) zugeführt und können uns an die Brust klopfen. Irre! Aber ich sehe zwei Fragen
im Raum schweben?“
„Welche?“ fragte Gaby.
„Erstens: Wie kommen wir in den
Gang? Die Felsplatte wiegt Tonnen. Wenn wir mit der Spitzhacke arbeiten, haben
wir zu tun bis zum Abitur. Das heißt, andere kämen uns zuvor. Schindler hat’s
zwar nicht eilig. Aber er will der Burgverwaltung Bescheid geben. Oder dem
Landesmuseum.“
„Das durchkreuzt unsere Pläne!“
rief Klößchen.
„Das war erst eine im Raum
schwebende Frage“, sagte Gaby.
„Zweitens“, lächelte Tim,
„welche Bedeutung hat das Gedicht an der Felswand? Krachwang war kein Goethe,
obwohl Zeitgenosse von jenem. Krachwang war Mechaniker, Tüftler, Büchsenmacher.
Seine Begabung lag im Technischen. Wenn einer wie er sich Reime abtrotzt,
steckt dahinter eine tiefe Bedeutung.“
Alle vier dachten nach, das
heißt, Klößchen tat nur so.
„Im tiefen Felsen ruht der
Schatz“, deklamierte (vortragen) Gaby, „bewacht von Tod und
Menschentücke. Zwei Wege führen an den Platz, die Erde öffnet sich zur Lücke.
Suchst du die Nische mit drei Steinen, erkenne Höhe, Glas und Licht... tja, wir
müßten wissen, wie es weitergeht.“
Tim wandte sich an Karl. „Du
sagtest, Johann Krachwang habe im Burggefängnis auf seine Hinrichtung gewartet.
Welches Burggefängnis?“
„Das war im vorigen
Jahrhundert: Bis 1899 wurde der Kerker der Burg als städtisches Gefängnis
benutzt.“
„Derselbe Kerker, in dem
Trauthilde saß?“
„Vermutlich.“
„Hm.“
„Was knurrst du?“ fragte
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