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Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)

Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)

Titel: Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kemfert
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ausgedehnt: Aufgrund zu großer Widerstände seitens der Wirtschaft ist es der EU nämlich tatsächlich noch nicht gelungen, eine Erhöhung der für eine nachhaltige Klimapolitik so notwendigen CO 2 -Preise durchzusetzen. Sollte sich dies jedoch ändern und Brüssel die EU -Bestimmungen zum Emissionshandel verschärfen, würden die CO 2 -Preise deutlich steigen. Die im Moment noch preiswerten Kohlekraftwerke würden schlagartig teurer und sich damit auch für die Konzerne immer weniger lohnen. Aus den neu gebauten Meilern könnten bald sogenannte Stranded Investments werden, wie man in der Wirtschaft »gestrandete« bzw. in den Sand gesetzte Investitionen nennt. Für den Verbraucher in Deutschland wird es dann richtig teuer. Das ist den großen Unternehmen bekannt. Deshalb legen sie so großen Wert darauf, immer wieder einmal medienwirksam zu behaupten, den Klimawandel gäbe es gar nicht. Für die geplanten Restriktionen gegen den CO 2 -Ausstoß, so folgern sie, bestehe also kein Anlass. In die Leugnung des Klimawandels wird viel Geld investiert, genauer gesagt in Forschungsarbeiten, die diese steile These wissenschaftlich belegen sollen. Die Atmosphäre sei von Treibhausgasen keineswegs getrübt und der Klimawandel eine Erfindung von Anhängern apokalyptischer Szenarien – diese Behauptung ist ungefähr so sinnvoll wie die Erklärung, Altkanzler Helmut Schmidt sei der lebende Beweis dafür, dass das Rauchen der Gesundheit nicht schade. Doch offenbar ermutigen bisherige Erfolge die Kohlekraftlobby dazu, darauf zu setzen, dass in Brüssel Vereinbarungen über eine Reduktion des C O 2 -Ausstoßes auch weiterhin verhindert werden können. Denn natürlich haben die Konzerne auch dort ihre Einflüsterer, die sich mit all ihrer verdeckten Macht den Klimaschutzanstrengungen der EU entgegenstellen.

3. Die erneuerbaren Energien brauchen ein Tempolimit
    Je langsamer die Energiewende voranschreitet, desto besser für die Betreiber der Kohlekraftwerke. Denn es stimmt: Wo der grüne Strom scheitert, sind sie im Moment der günstigste und zugleich sicherste Ersatz. Muss man noch mehr sagen, um zu erklären, welche Motive sich hinter der Forderung für ein Tempolimit verbergen?
    »Wir brauchen ein Tempolimit!«, ruft die FDP . »Wir werden ein Tempolimit einführen«, verspricht bald darauf die Kanzlerin, und ihr Vertrauensmann in Umweltfragen, Peter Altmaier, spricht es nach. Günther Oettinger, Merkels Umweltvertreter in Brüssel, lässt sich zur Begründung eine originelle Formulierung einfallen: Ob aus Wind und Sonne Strom erzeugt wird, »das entscheidet für Christenmenschen der liebe Gott und sonst der Wetterfrosch«. Das klingt ein bisschen nach Predigt, was durchaus Sinn macht, denn die Kirche steht ja für das Bewahren des Alten. Die Kühnheit der Ökostrompioniere in allen Ehren – der liebe Gott lässt sich nicht ins Handwerk pfuschen, und deshalb ist es besser, wir üben uns in Bescheidenheit, und das bedeutet: Wir müssen langsamer treten.
    Ein bisschen verwundert es mich: Keine Partei wagt es, sich das Gelingen des grünen Projekts als Erfolg auf die Fahnen zu schreiben. Es gibt in Deutschland ganze Dörfer und Kommunen, die, im Schatten der großen Politik, gemeinschaftlich und demokratisch auf erneuerbare Energien umgerüstet und sich so bereits bis zu 80 Prozent und mehr unabhängig vom Strommarkt gemacht haben – ohne riesige Stromtrassen oder große Speicherkraftwerke, allein durch eine moderne Energieversorgung vor Ort. Ausländische Delegationen reisen ins brandenburgische Feldheim, um sich etwas von diesen Vorbildern abzuschauen. Wer jedoch noch nie in einem bayerischen, niedersächsischen oder brandenburgischen Ökodorf unterwegs war und das Thema Energiewende bisher nur aus der Tagespresse kennt, muss den Eindruck gewinnen, es sei dringend notwendig, dem Wahnsinn endlich Einhalt zu gebieten. – Aber welchem Wahnsinn eigentlich?
    Begründet wird der Ruf nach dem Tempolimit – um es anders als mit den Worten Oettingers zu sagen – damit, dass Energie aus Wind- und Solaranlagen bisher schwierig zu speichern ist. Das wäre jedoch notwendig, um an Tagen, an denen der liebe Gott uns sowohl Sonne als auch Wind verwehrt, die an anderen Tagen im Überfluss produzierte Energie zur Verfügung zu haben. Um immer mehr erneuerbare Energien nutzen zu können, müssen deren wetterbedingte Schwankungen entweder durch Netze oder durch Stromspeicher ausgeglichen werden. Solange dies nicht möglich ist, übernehmen

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