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Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)

Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)

Titel: Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kemfert
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Kohle- oder Gaskraftwerke diese Funktion.
    Als weiterer Grund für die geforderte Drosselung des Ausbaus gelten fehlende Stromleitungen. Das bisherige Netz war auf eine Struktur ausgelegt, bei der Strom in Großkraftwerken zentral produziert und von dort zum Endverbraucher transportiert wurde. Die erneuerbaren Energien werden häufig dezentral in vielen kleinen Einheiten produziert oder aber an anderen als den bisherigen Standorten. Wenn zum Beispiel Atomstrom aus dem Süden durch Windstrom aus dem Norden ersetzt werden soll, erfordert dies auch neue Transportwege. Kurz gesagt: Während die Produktion von grünem Strom auf Hochtouren läuft, mangelt es noch bei der Netzinfrastruktur und der Speicherung. Der gesamte Strommarkt muss neu organisiert werden. Dafür ist jedoch nicht etwa ein Tempolimit für erneuerbare Energien nötig, sondern der Ausbau der Netze und der Stromspeicher sowie ein kluges Marktdesign, das Angebot und Nachfrage intelligent steuert. Gerade dort, wo technologische Hürden auftauchen, wie bei der Speicherung der Energie, bedarf es außerdem zusätzlicher Investitionen in Forschung und Entwicklung.
    Der Ausbau der Netze wird aber leider bereits seit mindestens zehn Jahren verschleppt. Und leider passiert es gar nicht selten, dass Dinge technisch möglich sind, jedoch der politische Wille fehlt, sie bis zu ihrer Realisierung und Marktreife zu unterstützen. Doch darüber spricht niemand. Denn je mehr die Wählergunst gegenüber dem Projekt Energiewende schwindet, desto schwieriger wird es für die Politik, Investitionen in die Erforschung grüner Technologien zu rechtfertigen. Anders gesagt: Je erfolgreicher das Gerede vom Tempolimit, desto wahrscheinlicher wird es, dass wir tatsächlich irgendwann mit zu viel grünem Strom dastehen, den wir weder speichern noch transportieren können. Doch selbst dann wäre es falsch, ein Tempolimit zu fordern. Stattdessen muss es heißen: Kümmern wir uns endlich um die vor uns liegenden Aufgaben!

4. Es drohen Blackouts
    Als die Norwegian Pearl , ein 294 Meter langes Kreuzfahrtschiff, am 4. November 2006 im niedersächsischen Papenburg in Richtung Nordsee ablegen wollte, gingen kurze Zeit später in vielen Orten Europas die Lichter aus. Teile von Deutschland, Frankreich, Belgien, Italien, Österreich und Spanien sahen sich plötzlich bis zu zwei Stunden von der Stromversorgung abgeschnitten. Der Grund war die vorschriftsmäßige Abschaltung einer Hochspannungsleitung, unter der das Schiff durchfahren sollte. Als Folge brach das Netz zusammen – ein einziger Schalter in Niedersachsen verursachte europaweit chaotische Zustände. Da der Vorfall sich gegen 22:00 Uhr ereignete, saßen Millionen von Menschen schlagartig im Dunkeln.
    Drohende Blackouts stellen in einer immer energieabhängigeren Welt eine ernst zu nehmende Gefahr dar, ein Horrorszenario. Wenn man sie dem Gegner in die Schuhe schieben kann, eignen sie sich als schlagkräftige verbale Keule in der Auseinandersetzung um Strom. Wer auf die falsche Energie setzt, rufen die Kontrahenten, dem droht der Totalausfall.
    Eines muss man sagen: Es stimmt, dass, wenn wir unsere Stromnetze nicht erneuern und ausbauen, es tatsächlich bald düster aussehen kann. Was nicht stimmt, ist, dass allein die neuen Energieformen für den erforderlichen Um- und Ausbau der Netze verantwortlich sind. Doch viele behaupten genau dies – und gehen noch einen Schritt weiter: Da der Ausbau bisher zu langsam vonstattengehe, müsse man die Produktivität der erneuerbaren Energien bremsen und weiter auf die bewährten Kraftwerke setzen. Diese Argumentation aber ist falsch. Wir könnten keinen Meter mit dem Auto von A nach B fahren, wenn die Straßen nicht ständig instand gehalten und erneuert würden. Doch die Einführung von elektro- und gasbetriebenen Fahrzeugen erfordert deshalb noch lange keine neuen Straßen. Das ist bei der Energie nicht anders. Wo immer wir Strom nutzen, brauchen wir Leitungen, die ihn transportieren. Egal, wie dieser Strom erzeugt wird.
    Für den von der Norwegian Pearl verursachten Stromausfall waren allein veraltete und mangelhaft ausgebaute Netze verantwortlich. Kurz nachdem das Malheur passiert war, gab der damalige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel ( SPD ) in einer Pressemitteilung zu Protokoll: »Bisher haben die Stromversorger so getan, als ob ein Netzausbau nur wegen der erneuerbaren Energien erforderlich sei.« Die Stromausfälle machten nun deutlich, dass der Netzausbau notwendig sei, »weil wir

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