Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)
endlich ihre Arbeit aufnahm, hatten die Lobbyisten der privaten Energiewirtschaft bereits neun Jahre Zeit gehabt, sich im Politikbetrieb einzunisten.
Weitere Fehlentwicklungen
Im Hinblick auf die Stromnetze gab es eine weitere Fehlentwicklung – und erst hier kommen die erneuerbaren Energien ins Spiel: Die Politik entschloss sich zwar, deren Ausbau zu fördern, sie unterließ es jedoch, sich auch um die erforderlichen zusätzlichen Netze zu kümmern. So haben einerseits Nachlässigkeiten und Mauscheleien zwischen Politik und Wirtschaft und andererseits die Halbherzigkeit beim Ausbau von Transportwegen speziell für erneuerbare Energien in eine recht verfahrene Situation geführt. Inzwischen herrscht ein Chaos, das jede der so dringend erforderlichen Maßnahmen zur Erneuerung der Netzinfrastruktur ausbremst. Niemand fühlt sich verantwortlich, niemand zuständig, solange es nicht um die Wahrung der eigenen Interessen geht. Dabei wird es nicht eben übersichtlicher, je mehr Mitspieler beteiligt sind: Die Verantwortung für die Energieversorgung liegt zum Teil bei der privaten Wirtschaft, zum Teil beim Staat, manche Vorgaben kommen aus der EU, und auch der Bürgerwille schaltet sich hin und wieder ein – was nach der Katastrophe in Fukushima und der anschließenden Landtagswahl in Baden-Württemberg besonders deutlich wurde. Doch Wirtschaft und Politik verfolgen unterschiedliche Ziele, mit dem Ergebnis, dass unter anderem der Ausbau der deutschen Stromnetze seit gut zehn Jahren blockiert wird. Die Energiewirtschaft nutzt diese Blockadehaltung als Mittel zum Boykott, um so die Umstellung auf erneuerbare Energien zu torpedieren – denn natürlich muss diese scheitern, wenn der Strom am Ende nicht beim Verbraucher ankommt. Dieser Boykott war möglich, weil man bei der Privatisierung auch das komplette Hochspannungsnetz unter den großen der Branche, Eon , RWE , EnBW und Vattenfall Europe, in vier sogenannte Regelzonen aufgeteilt hatte. Die Konzerne nutzten ihre Monopolstellung einerseits zur Abschottung des Marktes, andererseits kümmerten sie sich nicht um die Netze. Wieder schritt die EU ein, die wiederholt und immer massiver auf das sogenannte Unbundling im Energiemarkt drang, das Entflechten des zusammengeballten Machtknäuels, und die damit eine zumindest eigentumsrechtliche Trennung von Stromproduktion, Vertrieb und Netzen einforderte.
Doch auch dieser Schritt wurde eher notgedrungen und vor allem halbherzig umgesetzt, denn die meisten Konzerne lagerten die Netze einfach in Tochtergesellschaften aus: Vattenfall gründete zu diesem Zweck das Unternehmen 50 Hertz, RWE gründete Amprion. Allein Eon gab seine Netze in wirklich fremde Hände ab, und zwar an den Konzern Tennet, ein holländisches Staatsunternehmen. Dies hatte die pikante Konsequenz, dass der Ausbau der im Besitz von Tennet befindlichen deutschen Netze im holländischen Staatshaushalt verhandelt wird: Da das Unternehmen, das die Netze im Nordwesten Deutschlands besitzt, den Kapitalbedarf offensichtlich unterschätzt hat, müssen die zusätzlich benötigten Mittel nun erst durch den Staatshaushalt freigegeben werden. Der Ausgang ist ungewiss, und damit liegt der Ausbau der Eon -Netze bis auf weiteres auf Eis.
Schon vor Jahren erstellte die Deutsche Energie-Agentur (dena) Studien, und jüngst legte auch die Bundesnetzagentur Pläne vor, wie der Ausbau der Netze konkret gestaltet werden soll. Doch das Problem der Zuständigkeit ist damit immer noch nicht gelöst. Als untergeordnete Behörde des Bundeswirtschaftsministeriums hat die dena nur beratende, aber keine ausführende Kompetenz, während die Bundesnetzagentur zwar die verantwortliche Verwaltungsinstitution darstellt, als solche jedoch die Unternehmen auch nicht zum Handeln zwingen kann. Und so liegen die Pläne bisher auf den Schreibtischen, werden aber nur unzureichend umgesetzt. Im Gegenteil: Die Netzbetreiber wissen als Tochtergesellschaften der großen Konzerne immer noch genau, wessen Eltern Kind sie sind. Im Juni 2012 legte der BUND einen Bericht vor, der belegt, dass sie eigene Pläne zum Netzausbau verfolgen, die von den Zielen der Bundesregierung stark abweichen. Diese Pläne zeigen, dass die Netzbetreiber offenbar von wesentlich höheren Strommengen ausgehen, die Deutschland angeblich noch im Jahr 2022 aus Kohlekraftwerken beziehen wird. Es sieht ganz danach aus, als rechneten die Konzerne fest damit, dass ihre Strategie aufgehen wird, die Energiewende lahmzulegen und in den nächsten
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