Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)
Entwicklung voranschreitet und je mehr Anlagen produziert werden. Letzteres bezeichnet die Wirtschaftswissenschaft als Skaleneffekt: Je größer die Produktion, desto geringer fallen die Kosten im Verhältnis zur produzierten Menge aus.
Unsere Technologien befinden sich schon lange nicht mehr im Anfangsstadium: Längst ist die Erzeugung von grünem Strom machbar, was nicht ausschließt, dass ständig weitere, noch effizientere Formen der Energiegewinnung entwickelt werden. Längst sinken die Produktionskosten von Wind-, Solar- und Biomasseenergie und sind zum Teil heute schon wirtschaftlich rentabel. Um nur ein Beispiel zu nennen: Noch vor wenigen Jahren war man überzeugt, dass Photovoltaikanlagen stets mit einem unvermeidbar hohen Preis für Material und Produktion verbunden sein würden. Doch wider alle Erwartungen sind die Kosten binnen zwei Jahren plötzlich um die Hälfte gesunken – was niemand vorhersehen konnte. Wer sich heute eine Photovoltaikanlage auf das Hausdach baut, nutzt Strom zu einem Preis, der unter dem Endkundenpreis liegt; er bezahlt also weniger als der normale Stromkunde.
Beides, die technologische Entwicklung und der Umbau des Strommarktes, ist jedoch noch lange nicht abgeschlossen. Noch stehen ungelöste technologische Schwierigkeiten vor uns, deren Beseitigung für eine vollständige Energiewende notwendig ist, vor allem die Frage nach der Speicherung von Energie aus Wind- und Solaranlagen. Gerade weil hier noch viel Arbeit in Forschung und Entwicklung zu leisten ist, wäre es ausgesprochen unsinnig, die Förderung der erneuerbaren Energien nun zurückzuschrauben. Nachdem der Prozess einmal begonnen wurde und seine langfristige Entwicklung planbar geworden ist, sollte man ihn nicht auf halber Strecke unterbrechen, indem man auf einmal die EEG -Umlage kappt.
Der »billige« Strom aus Atom- und Kohlekraftwerken
Dem angeblich teuren Ökostrom, der ja tatsächlich mit einer hohen Anschubfinanzierung verbunden ist, stehen auf der Seite der fossilen Energien Kosten gegenüber, die nicht vollständig von den Energieversorgern selbst getragen, sondern zum Teil vom Staat übernommen werden. Viele sehen darin zu Recht verdeckte Subventionen. Den größten Posten bilden hier die sogenannten Folgekosten der Stromproduktion, die von verschiedenen Institutionen höchst unterschiedlich berechnet werden. Bereits im ersten Kapitel habe ich auf einen Bericht verwiesen, der 1988 von Wissenschaftlern im Auftrag der EU erstellt wurde. Dieser bemängelte, dass vor allem die bei der Atom- und Kohlestromproduktion entstehenden Umwelt- und Gesundheitsschäden nicht in den Strompreis einbezogen werden. Deshalb sei der Strom deutlich zu billig, und die ungedeckten Kosten kämen auf die nachfolgenden Generationen zu, die diese dann in Form von wesentlich höheren Strompreisen – oder als Steuern – zu tragen hätten. Interessant, oder? Auch ohne Energiewende würden wir heute viel höhere Preise für Strom bezahlen, wenn die Folgekosten von Atom- und Kohlestrom nicht durch Steuern finanziert, sondern auf den Strompreis umgelegt würden. Und die Zahlen sind hier nicht nur eindrucksvoll, sondern auch kaum realistisch zu berechnen. Für die Entsorgung des Atommülls wurden seit den 1960er Jahren große Summen in die Erkundung von Endlagern investiert, doch nun erweisen sich manche der Salzstöcke als schadhaft. Ihr Rückbau verursacht neue Kosten, mit denen zuvor niemand gerechnet hatte. Die Energieversorger, die schon an den ersten Endlagern nur in geringem Maße finanziell beteiligt waren – es handelt sich nämlich um staatliche Einrichtungen –, sagen nun: Der Staat hat bei der Endlagersuche Fehler gemacht, er muss daher auch die Verantwortung für die Folgen übernehmen.
Nun muss man fairerweise darauf hinweisen, dass die Energiekonzerne sich in den 1960er Jahren gegen die Einführung der Kernenergie heftig zur Wehr setzten. Die Situation war ähnlich wie heute: Der Energiebranche ging es gut, sie verdiente an ihren Kohlekraftwerken, doch die Politik zwang sie, auf Atomkraftwerke umzurüsten. So erklärt sich das starke Engagement des Staates in der Atomenergie. Das ändert indessen nichts daran, dass die Energieversorger später mit den Atommeilern hohe Gewinne einfuhren und sich dabei zu einer Atomlobby entwickelten, die nun, Jahrzehnte später, wiederum den Status quo zu verteidigen sucht. Auch ändert es nichts daran, dass die Höhe ihrer Gewinne es durchaus zuließe, die Atomwirtschaft stärker an den
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