Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)
Folgekosten zu beteiligen.
Wenn wir schon von hohen Innovationskosten – die beim Ökostrom noch auf uns zukommen – sprechen: Bei der Endlagersuche ist die Forschung noch lange nicht abgeschlossen. Es ist überhaupt fraglich, ob wir jemals einen Ort finden, von dem wir mit Gewissheit sagen können, dass das Gestein, in das wir die giftigen Fässer einlagern, sich in den nächsten tausend Jahren nicht bewegen wird – ganz davon abgesehen, dass auch über die Haltbarkeitszeiten der Behälter für das radioaktive Material keine Klarheit besteht: Wir wissen, dass der Inhalt noch Zehntausende von Jahren strahlen wird, aber werden die Behälter Hunderte, Tausende oder mehr Jahre halten und verhindern, dass dieses Teufelszeug in unsere Umwelt austritt und zum Beispiel das Grundwasser verseucht?
Dabei beschränken sich die zusätzlichen Kosten bei Atomkraftwerken keineswegs nur auf die Entsorgung der Brennstäbe. Gerade hat die EU alle europäischen Meiler einem Stresstest unterzogen und Sicherheitsmängel festgestellt, deren Behebung Energiekommissar Günther Oettinger europaweit mit 10 bis 25 Milliarden Euro beziffert – allein für die Nachrüstung der vorhandenen AKW . Müsste man Atomkraftwerke versichern, würde der Strompreis vollends explodieren. Bisher war dazu niemand bereit, denn die wirtschaftlichen Schäden einer Reaktorkatastrophe sind so hoch, dass der Super- GAU schlicht nicht vorgesehen ist. Für Fukushima wurden die direkten Kosten auf 120 Milliarden Dollar geschätzt, dies wäre also eine realistische untere Grenze für die Versicherungssumme für Kernkraftwerke.Fast zwei Jahre nach dem Unglück in Japan schlägt Oettinger nun vor, Atommeiler doch noch zu einer Versicherung gegen Unfälle zu verpflichten. Es sei klar, dass Atomstrom dadurch teurer werde. Sein Auftrag sei es aber nicht, durch Sicherheitsdumping den Kernkraftstrom billig zu machen, wird der EU-Kommisar auf ZEIT Online am 4. Oktober 2012 zitiert.
Die Umweltschäden, die aufgrund der durch die CO 2 -Emissionen verursachten Treibhausgase entstehen, sind noch schwerer zu beziffern. Sie sollten jedoch weder geleugnet noch unterschätzt werden. Tatsächlich sind Kohlekraftwerke neben Wasserkraft derzeit die einzige Energieform in Deutschland, die wirtschaftlich rentabel ist – lässt man die Umweltschäden außer Acht und geht davon aus, dass die CO 2 -Preise nicht steigen werden. Sobald jedoch an der Schraube des CO 2 -Preises gedreht wird, ist es auch mit der Wirtschaftlichkeit von Kohlekraft vorbei. Und eine realistische Einpreisung für die durch CO 2 -Emissionen erzeugten Umweltschäden ist dringend erforderlich, wenn die Bemühungen der EU und der internationalen Staatengemeinschaft um Klimaschutz mehr als ein öffentlich inszeniertes Theater sein sollen, das zur Beruhigung von Wählern und Umweltschutzorganisationen dient. Das Forum Ökosoziale Marktwirtschaft ( FÖS ) präsentierte im August 2012 eine Studie, die zu folgendem Ergebnis kommt: Würde man die Folgekosten auf den Strompreis umlegen, müsste diese Umlage für Atom- und Kohlestrom doppelt so hoch ausfallen wie bei den erneuerbaren Energien. Über diese Zahl mag man streiten, doch ein entscheidender Vorteil der erneuerbaren Energien besteht gerade darin, dass bei der Stromproduktion die Umwelt- und Gesundheitsschäden auf ein Minimum reduziert werden – das ist der Kern des Konzeptes von der Nachhaltigkeit. Die Bauteile von Photovoltaik- und Windanlagen sind weitgehend recycelbar, bei der Entsorgung von Solaranlagen muss Silizium abgebaut werden, sofern es nicht wiederverwertet werden kann. Natürlich fallen auch hier Reststoffe an, und natürlich erfordert auch die Ökostromproduktion einen gewissen Einsatz an Energie und belastet dadurch die Umwelt. Doch diese Belastungen stehen in keinem Verhältnis zur Luft- und der generellen Umweltverschmutzung durch Kohle oder gar den gewaltigen Umweltschäden, die ein Reaktorunglück verursacht.
Anders als bei den erneuerbaren Energien, deren anfangs hohe Innovations- und Produktionskosten zu einem großen Teil auf den Rechnungen der Stromkunden erscheinen, wurden die gigantischen Folgekosten aus Atom- und Kohlestrom jahrzehntelang vom Staat mitfinanziert. Auch wenn genaue Zahlen schwer zu ermitteln sind und die Einschätzungen je nach Rechnung höchst unterschiedlich ausfallen: Allein die Tatsache, dass die Atommüllendlager in der Verantwortung des Staates liegen, bedeutet eine schwere finanzielle Bürde für die öffentliche
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