Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)
Gebetsmühlenartig wiederholen sie die Behauptung, der Ökostrom sei so kostenintensiv, dass er uns in den Ruin treiben wird. Andererseits nutzen sie die EEG -Umlage zu Propagandazwecken, um so die Energiewende auszuhebeln oder wenigstens zu bremsen und dafür mehr Kohlekraftwerke zu bauen.
Es ist erschütternd, mit anzusehen, wie sich Missverständnisse, Irrtümer und Fehlinformationen über den Strompreis in den Köpfen der Bevölkerung festgesetzt haben. Als ich im Frühjahr 2012 für das Schattenkabinett von Norbert Röttgen als Energieministerin nominiert war, erlebte ich dies auf unseren Wahlkampfreisen durch Nordrhein-Westfalen. Große Teile des Mittelstands und der CDU -Basis waren – und sind – gegen die Energiewende, weil sie der Behauptung Glauben schenken, der Strompreis ruiniere die Wirtschaft. Das überraschte mich insofern besonders, als die Energiewende ja gerade den unternehmerischen Mittelstand stärkt. Doch immer wieder erzählten mir Unternehmer während der Wahlkampfveranstaltungen, dass Betriebe durch die hohen Strompreise in den Bankrott getrieben würden. Besonders in Erinnerung ist mir ein Stahlhersteller, der aus diesem Grund schließen musste. Ihm sagten die Energieversorger, schuld an den hohen Strompreisen sei die Energiewende. Schaut man sich jedoch die Stromrechnungen der vergangenen Jahre genau an, zeigt sich, dass fast ausschließlich steigende Gas- und Kohlepreise, fehlender Wettbewerb zwischen den Großkonzernen und andere Faktoren für die steigenden Strompreise verantwortlich sind. Allerdings sind bis dato selbst Versuche des Kartellamts gescheitert, die Strompreise transparent zu machen, die den Verbrauchern von den Konzernen einfach diktiert werden. So können die Energieunternehmer problemlos erklären, die Energiewende sei schuld an den hohen Preisen, während sie in Wahrheit saftige Gewinne einfahren: Allein die drei Konzerne RWE , Eon und EnBW konnten ihre Gewinne zwischen 2002 und 2010 versiebenfachen und nahmen in diesem Zeitraum zusammen 100 Milliarden Euro ein.
Wer einmal zum Sündenbock geworden ist, wird häufig auch noch Opfer von Mitläufern: Ausgerechnet die Deutsche Bahn sprang unlängst auf den fahrenden Zug auf und begründete ihre jährlich fälligen Preiserhöhungen im Herbst 2012 mit – Sie ahnen es wohl schon – steigenden Energiekosten! Gerade die Bahn, die sich zu den Vorreitern der grünen Wirtschaft zählt und sich auf einem Titelblatt der Wirtschaftswoche zum Thema Energie stolz als grünes Unternehmen abbilden ließ. Erst vor kurzem verkündete der Konzern, seinen Anteil an Ökostrom erhöhen zu wollen. Von der EEG -Umlage ist er als energieintensives Unternehmen jedoch bisher nicht betroffen. Und nun sollen Energiekosten als Grund für die Erhöhung der Fahrkartenpreise herhalten.
Ist es nicht schön, dass wir plötzlich für alles einen Schuldigen haben? Am Ende werden wir bereit sein zu glauben, die internationale Bankenkrise sei ebenfalls eine Folge zu hoher Stromkosten.
6. Es droht ein Kosten-Tsunami
Der Strompreis steigt. Seit Jahren wird Strom teurer, und daran wird sich so bald nichts ändern. Dafür gibt es viele Gründe: Etwa die Hälfte aller Kraftwerke in Deutschland geht aus Altersgründen vom Netz und muss durch neue ersetzt werden. Die Preise für Brennstoffe steigen tendenziell stärker, als sie fallen. Die Stromnetze sind durchschnittlich zwischen 30 und 50 Jahre im Dienst und bedürfen einer gründlichen Sanierung. Ganz egal, wie die Politik in den nächsten Monaten entscheidet: In der Vergangenheit kletterte der Strompreis stetig nach oben, und er wird es weiterhin tun. Auch ohne die Energiewende.
Die Schlagzeilen in den Medien zeichnen jedoch ein anderes Bild: Als die Bundesnetzagentur am 15. Oktober 2012 den Anstieg der EEG -Umlage von 3,59 auf knapp 5,3 Cent pro Kilowattstunde verkündete, hörte ich von allen Seiten, so auch unter Freunden, Nachbarn und Bekannten, den Stoßseufzer: »Das war ja klar, dass die Energiewende teuer wird.« Und so suggestiv wie die Medienberichte klingen auch diese Kommentare, in denen der Vorwurf mitschwingt: »Sehen Sie, Frau Kemfert, das Projekt Ökostrom bleibt eine Idee von realitätsfernen Spinnern, für die wir nun die Zeche zahlen werden.«
Was derzeit geschieht, beschreibt ein Bericht in der Financial Times Deutschland vom 12. Oktober 2012 so: »Lobbyisten feuern in diesen Tagen eine Studie nach der anderen ab. Gewonnen hat, wer am Ende die meisten Menschen davon überzeugt, dass
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