Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)
gefallen sind. Würden diese Effekte an den Verbraucher weitergegeben, müsste der Strompreis rund 2 Cent je Kilowattstunde niedriger sein, heißt es in der Presse dazu, die Harms am 24. August 2012 zitiert: »In den letzten fünf Jahren zeigt sich, dass gestiegene Einkaufspreise stets unverzüglich weitergegeben wurden, Preissenkungen hingegen nicht, zumindest nicht an das Kundensegment der Haushaltskunden.« Der Anstieg der EEG -Umlage im Strompreis könnte also durch den sinkenden Börsenpreis zumindest teilweise ausgeglichen werden. Anstatt jedoch preissenkende Effekte an die Kunden weiterzugeben, erhöhen die Energieversorger lieber ihre Gewinne. – Und schwärzen gleichzeitig den grünen Strom und die dahinterstehende Ökopolitik an, die sie leider dazu zwinge, den Kunden so zu schröpfen.
Die zweite Unwahrheit über den Strompreis besteht in der Tatsache, dass energieintensive Industrien von der Zahlung der EEG -Umlage befreit sind und dieses Privileg ebenfalls vom privaten Stromverbraucher finanziert wird. Denn je weniger Industriebetriebe die Umlage auf den von ihnen verbrauchten Strom zahlen, desto höher ist die Summe, die auf alle zahlenden Kunden verteilt wird. Verschiedene Studien haben errechnet, dass durch die Befreiung der energieintensiven Industrie rund ein Viertel der insgesamt anfallenden Summe zusätzlich von den übrigen Verbrauchern gezahlt wird. Industriebetriebe mit einem hohen Stromverbrauch befürchten, dass ihnen durch die hohen Energiekosten in Deutschland ein Wettbewerbsnachteil entsteht. Sie drohen deshalb damit, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern. Die Wahrheit sieht anders aus: Durch die zunehmende Einspeisung erneuerbarer Energien sinken die Industriestrompreise und erzeugen einen Wettbewerbsvorteil für diese Industrie.Doch auch Betriebe, die nicht abwanderungsgefährdet sind, zahlen häufig keine Umlage, obwohl, wie selbst die Bundesnetzagentur im März 2012 feststellte, der Wettbewerbsfaktor für sie keine Rolle spielt.
In vielen Bereichen, von der Steinkohle bis zur Landwirtschaft, unterstützen Staaten ihre Wirtschaft durch Subventionen und verschaffen ihnen so die notwendigen Voraussetzungen für das Bestehen im internationalen Wettbewerb. Die Politik mag über jede einzelne dieser Subventionen streiten und die Privilegierung der energieintensiven Industrie berechtigt sein, doch ganz gleich, ob man sie für sinnvoll erachtet oder nicht: Subventionen sind Aufgabe des Staates. Mit der Befreiung der energieintensiven Industrie von der EEG -Umlage und ihrer Umverteilung auf die übrigen Stromkunden wird die Unterstützung der heimischen Wirtschaft jedoch dem Verbraucher in Rechnung gestellt. – Das nenne ich eine einigermaßen abenteuerliche Subventionspolitik. Man könnte auch sagen: Hier wird der Bürger betrogen.
Hinzu kommt ein kurioser Effekt: Unternehmen, die Energie einsparen, drohen damit unter die Grenze des Verbrauchs zu fallen, bei dem sie von der Zahlung der Umlage befreit werden. Wenn der Energieverbrauch also zu sehr sinkt, wirkt sich das auf die Rechnung genau gegenteilig aus. Das führt dazu, dass manche Betriebe ihre Maschinen auch nachts und an Feiertagen laufen lassen, um so von der Zahlung freigestellt zu werden. Durch die Konstruktionsfehler im Gesetz belasten solche Tricks nicht nur die Umwelt, sondern wiederum das Konto der privaten Verbraucher.
Wer zehnmal lügt, dem glaubt man dann
Der Strompreis steigt. Diese Tatsache ist unbestritten. Fassen wir also noch einmal zusammen: Für den Ausbau der erneuerbaren Energien bezahlen wir die EEG -Umlage, und damit erhöht sich unser Strompreis. Das ist in Ordnung, wenn wir bereit sind, für eine nachhaltige Energieversorgung einzustehen. Nicht in Ordnung ist, dass man uns vorgaukelt, der Atomstrom sei billig zu haben und die Umweltschäden aus Kohlekraftwerken seien zu vernachlässigen. Auf diese Weise wird dem grünen Strom das falsche Etikett eines Luxusproduktes angeheftet, das sich nur eine reiche Gesellschaft leisten kann. In Wahrheit zieht der Staat sich aus der Verantwortung, indem er Abgaben auf den Stromkunden abwälzt, die vorher aus der Staatskasse bezahlt wurden. – Oder die, wie es bei der Befreiung der energieintensiven Industrie der Fall ist, noch heute aus der Staatskasse bezahlt werden sollten.
Gleichzeitig nutzt solche Politik jenen in doppelter Weise, die gegen erneuerbare Energien zu Felde ziehen: Einerseits haben sie einen Schuldigen für ihre überzogenen Stromrechnungen.
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