Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)
die anderen verantwortlich für die Mehrkosten sind.« Leider gewinnen die Gegner der erneuerbaren Energien zunehmend die Oberhand, denn obwohl sich in den Kommentaren in Rundfunk, Fernsehen und den Zeitungen zunehmend auch Befürworter des Wandels zu Wort melden, haben sie die reißerischen Schlagzeilen auf ihrer Seite: »Ökostrom-Abgabe steigt auf Rekordniveau« ( Spiegel Online ), »Strompreis-Hammer: Ökostrom-Umlage steigt um fast 50 Prozent« ( BILD ), hieß es Mitte Oktober. Da hilft es nichts, dass manche Berichterstatter das Geschehen durchschauen und auf die Schieflage in der öffentlichen Debatte hinweisen: »Es ist etwas paradox. Höhere Mieten, Sprit- und Heizkosten schlagen bei den meisten Verbrauchern weit stärker zu Buche als die Stromkosten. Aber um diese ist durch die auf ein Rekordniveau steigende Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien eine heftige Debatte entbrannt«, ist zum Beispiel in der FAZ vom 15. Oktober 2012 zu lesen. Wie anders würde unser Urteil ausfallen, wenn die einschlägigen Zeitungen titelten: »Strompreis-Hammer: Brennstoffpreise machen herkömmlichen Strom unbezahlbar« oder »Steigender Ölpreis treibt Energiekosten auf Rekordniveau«. Doch solche Schlagzeilen werden nicht gedruckt. Dabei wären sie genauso berechtigt. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Ja, die Energiewende kostet, aber alle anderen Arten der Stromerzeugung werden ebenfalls teurer. Egal, was wir tun.
Die Gegner des Ökostroms haben den entscheidenden Vorteil, etwas zu verteidigen, das wir bereits kennen – wohingegen die Umstellung auf erneuerbare Energien ein Vordringen in ungewisse Gefilde bedeutet. Oder, wie Klaus Töpfer, ehemals Umweltminister und Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, mir einmal sagte: Die Lobbyisten der Vergangenheit sind stärker als die Lobbyisten der Zukunft. Der Verbraucher, dessen Empörung durch solch eine einseitige Berichterstattung geschürt wird, hält sich für kritisch und selbstbestimmt und wird doch hinters Licht geführt. Denn sollte der Widerstand gegen den Ökostrom Erfolg haben, so wären am Ende nicht die Stromkunden, sondern die großen Energiekonzerne und die Kohlekraftlobby die Gewinner. Sie werden die Energiewende nicht mehr aufhalten können. Aber sie fügen uns großen Schaden zu, denn sie blockieren mit ihren Attacken Kräfte, die für einen erfolgreichen Umbau an anderer Stelle unbedingt benötigt werden.
Eine der verbalen Keulen, die im Kampf gegen den Strom aus erneuerbaren Energien häufig zum Einsatz kommt, ist die Wortneuschöpfung »Kosten-Tsunami«. Sie soll eine Riesenwelle monetärer Belastungen beschreiben, die angeblich infolge des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf uns zurollt und sich anschickt, unsere wirtschaftliche Existenz fortzuspülen. Eine Metapher, die im Licht der europaweiten Finanzkrise, in der Billionen auf dem Spiel stehen, maßlos überzogen scheint. Ihr Erfinder ist das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung, kurz RWI . (Von der womöglich durch die Namensähnlichkeit suggerierten Nähe zum Energiekonzern RWE sollte sich niemand in die Irre führen lassen – auch wenn Dr. Rolf Pohlig, der seit Juni 2008 als Präsident der Gesellschaft der Freunde und Förderer des RWI fungiert, gleichzeitig Finanzvorstand der RWE AG ist und sein Vorgänger in diesem RWI -Amt der ehemalige Vorstandsvorsitzende der RWE AG Dr. Dietmar Kuhnt war.) Bisweilen lässt das RWI sich seine Studien von einem klimaskeptischen Institut in den USA finanzieren, dessen Verbindung zur Lobby der Kohle- und Ölproduzenten bekannt und berüchtigt ist. Darauf mussten jedoch erst die Autoren der ARD -Sendung »Monitor« hinweisen: In einigen Studien hatte das RWI die gesetzlich vorgeschriebene Nennung der Geldgeber »vergessen« und wusste, so der verantwortliche Mitarbeiter, Prof. Dr. Manfred Frondel, auch gar nicht so genau, wer sich eigentlich hinter den Sponsoren verbirgt. – Geht es Ihnen auch manchmal so, dass Sie nicht wissen, von wem Sie bezahlt werden?
Zu einer Drohkulisse, die in Angst und Schrecken versetzen soll, gehören bedrohliche Zahlen. Die Berechnungen, die den »Tsunami-Warnungen« des RWI zugrunde liegen, folgen einem bestimmten Muster, das zum Beispiel so aussieht: Für die bereits installierten Solardächer werden die Stromkunden in den nächsten 30 Jahren 64 Milliarden Euro bezahlen – über die EEG -Umlage. 64 Milliarden, das klingt beeindruckend. Teilt man die Summe durch 30 Jahre, kommt man auf
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