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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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Es sollte ihnen egal sein, dass ich Amerikaner war. Ich würde für mich behalten, dass meine Mutter Jüdin war und dass sie und mein Vater in North Dakota im Gefängnis saßen. Das Leben erforderte mittlerweile Lügen, um handhabbar zu sein. Und ich war bereit dazu, auch zu wesentlich mehr als einer Lüge, wenn ich dafür zur Schule gehen durfte und nicht noch weiter abgehängt wurde.
    Außerdem war es so weit, dass ich mir die Gesellschaft von Mädchen gut vorstellen konnte. Natürlich war auch Berner ein Mädchen. Aber wir hatten einander die meiste Zeit als irgendwie dasselbe behandelt, weil wir Zwillinge waren, weder männlich noch weiblich, sondern etwas dazwischen, das auf uns beide passte. Aber das war natürlich nicht von Dauer gewesen. Zweimal hatte Charley mich in das Chop-Suey-Restaurant auf der Main Street mitgenommen. Beide Male hatte ich die Kinder des chinesischen Besitzers gesehen, die im Hintergrund an einem düsteren Tisch saßen und Hausaufgaben machten. Vor allem die hübsche rundgesichtige Tochter hatte es mir angetan, die vermutlich ungefähr in meinem Alter war. Ich war ihr auch aufgefallen, beide Male, aber sie gestattete sich so gut wie keine Reaktion. Seitdem hatte ich mehrfach, wenn ich meine Rundgänge durch Partreau machte oder meine Schachfiguren allein im Schuppen befehligte, mit der fantastischen Idee gespielt, wir könnten Freunde werden. Sie könnte mich besuchen. Wir könnten gemeinsam durch das leere Städtchen schlendern, dann Schach spielen. (Bestimmt konnte sie besser spielen als ich.) Ich malte mir sogar aus, ich würde ihr bei den Hausaufgaben helfen. Mehr als das kam mir nie in den Sinn. Ich habe ihren Namen nie erfahren und nie mit ihr gesprochen. Unsere Freundschaft gab es nur in meinem Kopf. Solche Dinge konnten nicht wirklich passieren und taten es auch nicht. Allein zu sein machte es möglich, diese traurige Tatsache zu erkennen und sich zugleich vorzustellen, dass das und noch vieles mehr anders sein könnte.
    Highway und Prärie westlich von Partreau sahen genauso aus wie östlich Richtung Fort Royal. Auf meinem Fahrrad fühlte sich die Strecke trotzdem neu an – ein Gebiet, das ich mit niemandem teilen musste. Es gab nur kahles, gewelltes Ackerland mit Strohballen, so weit das Auge reichte, und mit schwarzen Punkten, nämlich Ölpumpen, darüber die funkelnden Schwärme einfliegender Gänse am Himmel und grauweißer Rauch am Horizont, wo irgendein Farmer die Straßengräben ausbrannte.
    Als ich das Ortsschild Birdtail erreichte, war keine Siedlung zu sehen. Die Bahnlinie verlief parallel zum Highway, genau wie in Partreau und Fort Royal. Aber es gab keinen Übergang, der auf eine früher hier gelegene Stadt verwiesen hätte, keine Bresche in den Erbsensträuchern, keine Windmühle, kein Silo oder auch nur Fundamente, die anzeigten, wo einmal Häuser gestanden hatten. Andererseits: Mrs Gedins würde sich doch nicht die Mühe machen, mich anzulügen. Ich saß da und ließ den Blick gen Himmel schweifen und über die Landschaft, wo keine Schule lag, dann beschloss ich, noch ein Stück zu fahren, vielleicht gab es ja ein weiteres Birdtail-Schild am »Ortsausgang«. Und als ich es erreichte, sah ich daneben ein weiteres Schild mit der Aufschrift SCHULE DER SCHWESTERN DES HEILIGEN NAMENS . Ein Pfeil wies gen Süden, zu einer Schotterstraße, die aus den Feldern zum Highway führte. Über den Namen der Schule war ein christliches Kreuz gemalt. Auf der Kuppe des Hügels, zu dem die Straße führte, stand ein verlassenes Haus, und dahinter verschwand die Straße im blauen Himmel. Die Schule konnte sonstwo sein. 15 Kilometer weiter. Ich war mit Charley im Truck schon Kilometer um Kilometer über die Prärie gefahren, ohne irgendein Zeichen, dass Menschen dort lebten oder je gelebt hatten. Aber die Schule war für mich immer noch mein wichtigstes Ziel. Ich konnte ja weiterfahren, bis das Schulgebäude zumindest in Sicht kam, und mir dann überlegen, was ich davon hielt.
    Unter Mühen lenkte ich mein Vorderrad auf die sandige Spur. Charleys altes Higgins-Rad wackelte und zappelte auf Steinen und Schotter, und es war nicht leicht, bergauf zu strampeln. Doch kaum hatte ich die Höhe erreicht, wo das verlassene Haus stand, bot sich ein kilometerweiter Ausblick, und die Schule (oder was die Schule sein musste) lag direkt an der Straße, am Fuß der Hügelrückseite – ein großes, eckiges Gebäude aus rotem Backstein, viergeschossig, ganz allein in einer Niederung der Prärie

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