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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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Er hatte sie mitgenommen.)
    Nachdem er angekommen war, stromerte er eine Zeitlang im Haus herum und redete – redete mit unserer Mutter in der Küche, redete mit Berner und mir, manchmal auch mit sich selbst. Er war locker und entspannt und warf einen Blick in alle Zimmer, als wäre ihm aufgefallen, wie sauber sie waren. Seine Stimme war selbstbewusst und klang in meinen Ohren stärker nach Südstaaten als sonst, was nur vorkam, wenn er nicht auf der Hut war, wenn er einen Witz erzählte oder etwas getrunken hatte. Er kommentierte die Neuerungen des modernen Lebens: Jetzt gebe es einen Satelliten am Himmel, der das Wetter vorhersage und nachts wie ein Stern aussehe. Das könne sich, meinte er, als Segen für die aeronautische Navigation erweisen. In Brasilien habe die Regierung eine völlig neue Stadt mitten im Dschungel hochgezogen und Tausende Menschen dorthin umgesiedelt. Das würde seiner Meinung nach die Rassenprobleme lösen. Heutzutage könnten wir uns alle eine neue Niere kaufen, falls die alten schlappmachten – logisch, dass das gut sei. All diese Nachrichten habe er auf einem kanadischen Radiosender im Auto gehört. Der Empfang sei klar gewesen, weil er auf der Fahrt in die Nähe der Grenze gekommen sei.
    Und nach seiner Dusche begleitete er also Berner und mich in der Abenddämmerung auf die vordere Veranda und erzählte uns, wie die Prärie aussah – wie ein Meer. Wir richteten den Blick nach oben und suchten nach dem Satelliten, der am Himmel kreiste, und er behauptete, er habe ihn gesehen. Wir aber nicht. Er sprach von seinen Jugendjahren in Alabama, von all den lustigen Sachen, die die Leute dort gesagt hätten, und wie farbig, aber auch zivilisiert es im Vergleich zu Montana sei – wo den Menschen ein glücklicher Sinn für Humor fehle und sie es für eine Tugend hielten, hartgesotten und unfreundlich zu sein. Wieder einmal fragte er uns – es kam öfter vor –, ob wir uns als Kinder Alabamas fühlten. Und wir beide antworteten wieder einmal mit Nein. Er fragte mich, wo ich denn rein gefühlsmäßig herstamme. Ich antwortete, Great Falls. Berner sagte zuerst, von nirgendwo, dann sagte sie, sie stamme vom Mars, und wir lachten alle. Er erzählte eine Weile davon, dass er früher geträumt habe, Pilot zu werden, es habe dann aber nur zum Bombenschützen gereicht, worüber er sehr enttäuscht gewesen sei, doch aus Enttäuschungen könne man nur lernen, und manchmal sei es sogar besser, wenn das Gegenteil von dem herauskomme, was man erwartet habe. Er sprach davon, welche schrecklichen Irrtümer manchen Soldaten in der Ausbildung zum Bombenschützen unterlaufen seien und was für eine große Verantwortung man da übernehme. Ein- oder zweimal kam unsere Mutter aus der Küche nach draußen. Er hatte zwei Flaschen Schlitz-Bier mitgebracht, und jeder von ihnen hatte eine getrunken – was nicht regelmäßig vorkam. Sie wurden davon etwas übermütig, wie unsere Mutter ohnehin schon mit uns, während er fortgewesen war. Sie hatte lockere weiße Caprihosen angezogen, die ihre dünnen Knöchel zeigten, dazu flache Baumwollschuhe und eine hübsche grüne Bluse – wir hatten gar nicht gewusst, dass sie diese Kleider besaß. Sie sah aus wie ein junges Mädchen und lächelte mehr als sonst, hielt ihr Bier am Flaschenhals und trank es in kleinen Schlucken. Sie behandelte unseren Vater zärtlich und lachte und schüttelte den Kopf, wenn er etwas Albernes sagte. Ein paarmal klopfte sie ihm auf die Schulter und sagte, er sei ein Witzbold (sie konnte eben gut zuhören). Dabei kam er mir gar nicht verändert vor. Er war meistens guter Laune.
    Berner erzählte ihm allerdings, als wir noch auf der Veranda saßen und sich die Zikaden in den Bäumen an die Arbeit gemacht hatten, dass seltsame Leute an unserem Haus vorbeigefahren seien und dass es Anrufe gegeben habe, ohne dass sich jemand meldete. Die Leute in den Autos seien Indianer gewesen, glaube sie jedenfalls. Mein Vater sagte nur: »Ach, die Jungs sind in Ordnung. Macht euch keine Sorgen wegen denen. Die verstehen bloß nicht, wie der weiße Mann funktioniert. Aber sie sind prima.«
    Ich fragte ihn nach den Geschäften, die er hatte anbahnen wollen. Er sagte, das lasse sich alles perfekt an, er müsse allerdings bald wieder hin, um alles festzumachen, und vielleicht könne ich diesmal ja mitkommen. Wir könnten alle hin. Ich fragte ihn, ob es stimme, was er am Sonntag gesagt habe – dass wir vielleicht in eine andere Stadt ziehen würden. Ich machte mir immer

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