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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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Kleider zusammengefaltet zusammen mit seinen Stiefeln unter ein paar Äste. Meine Mutter blieb aus Angst vor Schlangen im Auto. Dann kehrten die beiden auf den Highway zurück, auf den sie Richtung Osten einbogen, und rollten kurz darauf in Creekmore ein, der ersten Stadt hinter der Grenze und aus genau diesem Grunde ausgesucht.
    Die Agricultural National Bank befand sich fast am westlichsten Ende der Main Street im Zentrum von Creekmore. Mein Vater war überrascht, wie belebt die Straße um 08:58 war. Ranch-Trucks und Weizenmähmaschinen und Getreidelaster fuhren herum, viele Leute waren zum Einkaufen unterwegs. Es war eine Stadt voller Frühaufsteher. Dem Plan entsprechend, fuhr er nicht die Main Street entlang, sondern bog an der ersten Ecke ab, wo eine Versicherungsgesellschaft ihr Büro hatte, fuhr einen halben Block zu der kleinen Schotterstraße voller Unkraut, die er schon kannte, mit einer Autowerkstatt an der Ecke, aber keinem Gebäude hinter der Bank selbst. Er fuhr so weit, dass er direkt auf der Rückseite der Bank parken konnte, wo schon zwei andere Autos standen – vermutlich von Angestellten. Er hatte nicht vor, die Sache in die Länge zu ziehen. Er wollte alles so belanglos wie möglich halten, weshalb er entschieden hatte, sich nicht zu verkleiden und auch keine Maske zu tragen – anders als meine Mutter ihm geraten hatte. Selbst da glaubte er nicht, wie ein Bankräuber auszusehen. Er hatte klare, ebenmäßige Züge, frisch geschnittene Haare. Er hatte sich rasiert. Nichts (außer dem Overall) unterschied ihn von einem durchschnittlichen erwachsenen Mann aus North Dakota.
    Es war drei Minuten nach neun, als sie hinter der Bank eintrafen. Unser Vater stieg sofort aus, er trug eine braune Stoffmütze und hatte seine geladene Pistole in der Hosentasche des Overalls. Die beiden hatten kein Wort mehr gewechselt. Er ging durch die schattige, halb gepflasterte Seitenstraße, die die Bank von einem Juwelierladen trennte, und kam auf dem Bürgersteig der Main Street heraus. Die Sonne war viel heller und der Himmel blauer und höher, als er erwartet hatte. Wegen der Sonne sah er schwarze Flecken vor den Augen – so berichtete er unserer Mutter. Einen erschreckenden Augenblick lang wusste er nicht, ob er nach links oder rechts gehen musste. Und es war so viel mehr auf der Straße los als noch fünf Minuten zuvor. Unsere Mutter schrieb, dass er beinahe umgedreht und zurückgekommen wäre – das hätte er ja immer noch tun können. Doch dann beschloss er spontan, dass all der Betrieb als Ablenkung dienen würde, wenn er die Bank wieder verließe – also in höchstens drei Minuten, eine Tüte voller Geld unterm Arm. Er würde nicht auffallen und könnte unbemerkt wieder in der Seitenstraße verschwinden.
    Er ging die paar Schritte über das heiße Pflaster auf die große facettierte Glas-und-Messing-Tür der Bank zu. Kurz ging ihm durch den Kopf, dass er eine Sonnenbrille hätte aufsetzen sollen, was ihn gut verkleidet und zugleich seine Augen vor der Sonne geschützt hätte. Er betrat die Bank, hielt aber sofort inne, als die Tür hinter ihm zufiel. Es war so kühl da drinnen, so schattig und ruhig und still. Draußen war es geschäftig und heiß und lärmig gewesen. Und er erschrak fast darüber, wie klein die Bank war. Er war ja nie drin gewesen, damit sich auf keinen Fall jemand an ihn erinnerte. Eine einzige Kundin stand an einem der mit Messingstäben abgetrennten Schalter und plauderte durch das Gitter – eine dünne, kleine blonde Frau. Sie sah der Bankangestellten dabei zu, wie sie Scheine abzählte, um sie in einen Stoffbeutel zu stecken, für die Kasse des Juwelierladens nebenan. In der Bank roch es sauber – nach Messingreiniger –, erzählte er meiner Mutter, oder wie im Inneren eines neuen Kühlschranks.
    Doch dann rief sich mein Vater zur Ordnung, zog seine 45er aus der Tasche und trat auf den besetzten Schalter zu – zwei weitere waren unbesetzt. Er verkündete dem gesamten Raum, dass nunmehr die Bank überfallen werde. Von ihm. Er befahl der Kundin vom Juwelierladen und den beiden Bankbeamten – Männern in Anzügen, die ihn überrascht von ihren Schreibtischen hinter der Metallabtrennung anstarrten – und auch dem älteren, uniformierten Wachmann der Bank, der an einem der leeren Schreibtische saß, sich bäuchlings auf den Marmorboden zu legen und nur das zu tun, was er ihnen sagte. Falls jemand einen Alarm auslösen, Geräusche machen, aufstehen oder weglaufen oder etwas

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