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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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Antwort.) Was, wenn sie jemand erwartete, wenn sie zurückkämen, um wieder in den Chevrolet zu wechseln? (Da die Ranch verlassen war, als er sie fand, nahm er an, dass sie auch verlassen bliebe, bis er sie nicht mehr brauchte – das war seine typische Denkweise.)
    Meine Mutter fand, die ganze Idee habe zu viele lose Enden. Zu viele Stellen, wo etwas schiefgehen konnte. Einfacher wäre besser. Sie zog als Beweis die überkomplexe Struktur des Betrugssystems heran, die ihn jetzt zwischen den Indianern und Digby in die Zwickmühle gebracht hatte. Er sei nicht vorsichtig genug, nicht aufmerksam genug, er habe in Posemuckel, Alabama, zu viele Gangsterfilme gesehen. Sie hatte nie einen gesehen, wusste nichts von dem Bonnie-und-Clyde-Auto und was er mir von seinem Hang zu Banküberfällen erzählt hatte. Aber sie hatte sich jetzt darauf eingelassen.
    Ein besserer Plan – ganz einfach – sei es, die Nummernschilder an ihrem Chevrolet gegen welche aus North Dakota auszutauschen, zu der von ihm vorgeschlagenen frühen Stunde nach Creekmore zu fahren, hinter der Bank zu parken statt davor, in voller Sicht; in die Bank zu gehen, sie zu überfallen, nach draußen und ums Gebäude zu gehen, wo sie im Auto auf ihn warten würde, sich auf den Rücksitz zu legen oder sogar in den Kofferraum, und dann würde sie genauso wegfahren, wie sie hergefahren war. Nichts Übereiltes. Alles würde natürlich aussehen. Dieser Plan nutzte die menschliche Gewohnheit, die meisten Dinge uninteressant zu finden, solange man selbst nichts damit zu tun hatte. Das würde jeden einbeziehen, der am Freitagmorgen um neun Uhr in Creekmore, North Dakota, auf der Straße war – in einer Stadt, wo sich ausschließlich Uninteressantes ereignete.
    In der Chronik meiner Mutter steht nichts davon, dass mein Vater irgendwelche Argumente gegen ihren einfacheren Plan ins Feld geführt hätte. Es war eine lange Fahrt – 600 Kilometer. Sie hielten zum Mittagessen an, tankten in Winnett; verbrachten all die Stunden zusammen im Auto. Mehr als genug Zeit für einen ausführlichen Meinungsaustausch. Meine Mutter schreibt nur, dass sie ihn irgendwann »überredete«, in der Stadt Glendive, Montana, wo sie sichtbar, aber unauffällig sein würden, zu übernachten und zu Abend zu essen. Am nächsten Morgen würden sie aufstehen, die 90 verbleibenden Kilometer bis Creekmore fahren, tun, was sie sich vorgenommen hatten, und dann auf direktem Wege nach Hause zu meiner Schwester und mir. Sie schreibt allerdings, dass er eine Maske hätte tragen sollen. Er weigerte sich, weil ihn niemand in der Stadt kenne, und sein eigenes Gesicht sei doch schon eine Maske. Eine gutaussehende Maske.
    Im Nachhinein erscheint es als grausame Ironie des Schicksals, dass sich meine Mutter mit ihrem Plan durchsetzte. Denn so viele potentiell heikle Punkte der Plan meines Vaters auch hatte, möglicherweise hätte er besser funktioniert als ihrer. Er hatte einige Zeit damit zugebracht (Jahre vielleicht), ihn zu entwerfen und zu verfeinern, wohingegen ihr selbstbewusster Plan zwar dafür sorgte, dass sie nicht sofort erwischt wurden, aber erwischt wurden sie doch. Der Bel Air war beim Lunch meines Vaters im Town Diner von Creekmore am vorhergehenden Dienstag aufgefallen und wurde ein zweites Mal identifiziert, weil sie am Freitagmorgen damit in die Stadt kamen, hinter der Bank parkten und nach dem Überfall wieder aus der Stadt hinausfuhren. Sowohl der Mann an der Rezeption des Yellowstone Motels in Glendive als auch der Sheriff von Dawson County, der die Great-Falls-Nummernschilder und den Aufkleber des Supermarkts für Air-Force-Personal gesehen hatte, erinnerten sich an den Wagen. Dazu kamen der possierliche Südstaatenakzent und die Sonntagsmanieren meines Vaters, sein Air-Force-Overall und die 45er Dienstwaffe. Dem Wachmann der Bank fielen sogar die winzigen, ausgefransten Löcher an den Overallschultern auf. Er war selbst Staff Sergeant in der Air Force gewesen und hatte zutreffend vermutet, dass die Löchlein und die Verfärbung des Stoffs auf entfernte Captainsstreifen hindeuteten. Meine Eltern begriffen einfach nicht, wie das Leben in kleinen Präriestädten funktioniert, wo keinem das Geringste entgeht. Obwohl keine der genannten Einzelheiten direkt zu ihnen hätte führen müssen, wenn der Chevrolet nicht von Menschen erkannt worden wäre, denen sie nicht zugetraut hatten, Dinge zu bemerken oder mit anderen Dingen zusammenzubringen, die sie sich unbewusst überraschenderweise eben doch

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