Kanaken-Gandhi
Gedanken darüber gemacht, wie inhuman die deutsche Abschiebepraxis ist. Es kann nicht rechtens sein, wenn hilflose Menschen aus ihren Häusern vertrieben und gegen ihren Willen des Landes verwiesen werden! Nun bin ich der Betroffene, und ich danke Allah, dass es so viele aufrechte Bürger in dieser Stadt gibt, die sich gegen dieses zum Himmel schreiende Unrecht auflehnen.
Wie gesagt, was sie mit den armen Asylbewerbern machen, ist unmenschlich. Aber was sie mit mir machen, ist wahrhaft unglaublich. Die Behörde will mich allen Ernstes als abgelehnten Asylbewerber abschieben. Dabei habe ich niemals um Asyl gebeten! Ich bin kein Flüchtling! Ich bin doch Schlosser in Halle 4!
Politischer Flüchtling, das kann ich nicht gewesen sein! Denn ich hasse Politiker wie die Pest. Diese Arschlöcher haben doch alle eine Macke! Warum sonst fängt das Wort »Politik« denn sonst mit »Po« an und endet mit »tik«?!
Wirtschaftlicher Flüchtling, auch das kann ich nicht gewesen sein. Bei meinem dicken Bauch kann ich nur selten an Hunger gelitten haben. Und zwar nur dann, wenn sich meine Frau grundlos weigerte, mir jeden Tag meine Bohnensuppe zu kochen. Und vor der Unterdrückung in der Ehe kann ich auch nicht geflüchtet sein, denn wie Sie alle wissen, wohne ich mit meiner Frau Eminanim immer noch zusammen, leider. Welcher Idiot würde denn ausgerechnet in das Land flüchten, mein liebes Publikum, in dem die Frau lebt, mit der er schon 33 Jahre verheiratet ist? Welches Schaf flüchtet schon freiwillig zum Schlachter? Welcher Fisch geht schon gerne ins Netz? Wer geht schon selbst ins Gefängnis? Und welcher Lebensmüde würde schon freiwillig nach Deutschland flüchten, wo auf das Leben von Asylbewerbern mehr Anschläge verübt werden, als in Kambodscha und Libanon zusammen?
Danke, danke, liebes Publikum, für diesen phantastischen Applaus! Ihr seid großartig.
Danke, danke, das reicht nun wirklich. Ich kann es nicht oft genug sagen: Ich bin ein Produkt eurer Liebe! Ihr habt mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Für einen Künstler gibt’s nichts Schöneres auf der Welt, als die Anerkennung durch seine Fans.
Das Glück, vor vollen Sälen auftreten zu dürfen, hat nicht jeder Schlosser in Halle 4.
Ich danke allen meinen Freunden von den verschiedenen Bürgerinitiativen für die Ermöglichung dieses überaus erfolgreichen Abends. Ich verbeuge mich vor ihrem selbstlosen Einsatz und bedanke mich nochmals von ganzem Herzen. Kein Gesetz und keine Regierung dieser Welt kann uns unterkriegen, wenn wir weiter so geschlossen für unsere Rechte kämpfen.
Haben Sie bitte ein Einsehen, wenn ich angesichts dieser beispiellosen Solidarität mit meinen Tränen kämpfen muss!
Aber kommen wir wieder zurück zu dem eigentlichen Grund unseres heutigen Treffens.
Liebe Kollegen, was heute mich betrifft, kann morgen euch widerfahren. Diese Behördenwillkür hat überhaupt keine Logik.
Wenn es für meine Familie nicht so tragisch wäre, dann könnte ich die Situation nahezu als komisch bezeichnen. Aber wissen Sie, was wirklich komisch ist? Die Ausländerbehörde will uns nach Indien abschieben! Doch, doch, Sie haben richtig gehört.
Osman soll nach Indien! Hat man je davon gehört, dass Türken nach 30 Jahren Deutschland zu Indern werden? Was werden denn die Griechen nach vierzig Jahren? Etwa Mongolen? Und die Italiener? Werden die etwa nach fünf Jahren zu Marokkanern? Was ist mit den Portugiesen? Werden die etwa Perser?
Oder wird ab sofort jeder, der einen Kopfverband trägt wie ich, grundsätzlich nach Indien abgeschoben? Schickt die Ausländerbehörde alle Bartträger nach Kuba zu Fidel Castro?
Alle Glatzköpfe zu Kojak nach Manhattan, und weist sie alle fetten Birnen nach Oggersheim aus?
Wohin wollen sie mich denn abschieben, wenn ich bald keinen Kopfverband mehr brauche? Vielleicht nach Italien? Weil ich italienische Spaghetti mag? Oder etwa nach Japan? Weil ich einen japanischen Videorecorder habe? Vielleicht ist das auch eine neue Strategie der Deutschen, um die vielen Türken aus der Türkei zu vertreiben. Damit man im Urlaub nicht von denen belästigt wird. Eins habe ich gelernt, möglich ist alles. Nicht Amerika, sondern Deutschland ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Zumindest für Asylpolitiker.
Ladies and Gentlemen, liebe Vereinsfreunde, hochverehrtes Publikum und liebe Tontechniker, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, mit der Sie meiner Rede gelauscht haben!«
Nach meinen bewegenden Worten wische ich
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