Kanaken-Gandhi
untertauchen, werden sie ein paar Tage vorher verhaftet und in Gefängnisse gesteckt, die man speziell dafür gebaut hat. Das sage ich dir, Osman, kampflos lasse ich mich nicht abtransportieren. Aus dieser blöden Veranstaltung wird sowieso nichts. Ich gehe lieber nach Hause und verbarrikadiere die Wohnung. Wenn die Polizisten heute Nacht kommen, dann werden sie ihr blaues Wunder erleben!«
»Mach das, Eminanim. Aber ich kann nicht mitkommen. Ich muss hier noch meine Rede halten. Da warten doch alle drauf.«
»Mach dir doch nichts vor, Osman. In Wirklichkeit bist du hier der einzige, der auf deine Rede wartet«, ruft sie mir bissig zu, während sie in der Dunkelheit verschwindet. »Noch was, Osman, unsere Chiffre ist »Kiwi«! Ohne diesen Geheimcode kommt niemand mehr in unsere Wohnung rein. Merk es dir gut.
Nicht Banane, nicht Apfel oder Avocado, sondern »Kiwi«!« Im Saal plärrt immer noch der Kassettenrecorder, und ich genehmige mir meinen dritten Döner. Ich muss doch meine Rede halten. Wie sagt man so treffend: Hungriger Bär tanzt nicht schön! Ob hinter dieser Geschichte mit Indien der Leckmikowski aus der Zone steckt?
Frau Kottzmeyer-Göbelsberg wollte mich in die Türkei abschieben, Leckmikowski bestand aber auf den Fidschis. Aus Kostengründen haben sich die beiden bestimmt auf die Mitte geeinigt! So wird’s wohl gewesen sein!
»Sagen Sie mal, wann bin ich denn endlich dran?« frage ich leicht verärgert mit vollem Mund einen der Veranstalter, der gerade aus dem Saal herauskommt.
»Das musst du schon diese Idioten von der Initiative »Das Haar in der Suppe missfällt uns sehr, selbst wenn es vom Haupt der Geliebten wär« fragen. Die Knallköppe tun doch unverschämter Weise so, als hätten sie ganz alleine die gesamte Veranstaltung organisiert. Diese Kulturbanausen sind demonstrativ rausgegangen, als unsere Folkloregruppe aufgetreten ist! Das ist typisch für diese Schmarotzer!«
»Das kann doch nicht sein, ich stand die ganze Zeit hier vor der Tür. Von denen habe ich niemanden rauskommen sehen. Die können doch jetzt nicht alle gehen!«
»Die sind alle zusammen durch den anderen Ausgang gegenüber raus«, antwortet er sichtlich verärgert. Mit seinen vier Begleitern steigt er in ein Auto und fährt los.
»Halt! Bleibt doch hier! Nicht wegfahren. Wollt ihr etwa meine tolle Rede nicht hören, oder was?« schreie ich dem stinkenden Diesel hinterher.
Danach tue ic h so, als hätte ich die vier Mittelfinger, die aus dem klapprigen Wagen rausgestreckt werden, in der Dunkelheit nicht sehen können. Stattdessen winke ich freundlich und laufe zurück in den Saal.
Bei Allah, wie konnte denn das passieren? Es sind wirklich nur noch sieben Leute im Saal. Und die ziehen sich auch gerade an, um wegzugehen.
»Geht nicht weg, der wichtigste Teil des Abends kommt noch«, rufe ich ihnen zu und klettere so schnell ich kann auf die verlassene Bühne.
»Hallo! Hey! Macht doch keinen Quatsch. Bleibt noch einen Moment. Ich halte doch noch eine Rede ...« , brülle ich den beiden letzten Leuten hinterher, die gerade den Saal verlassen wollen. Aber diese Ignoranten drehen sich nicht einmal um. Das sind wahre Ausländerfreunde. Die haben mir nicht mal den ausgestreckten Mittelfinger gezeigt.
In dem Moment versucht der Tontechniker auch noch mein Mikro abzuschrauben.
»Lassen Sie die Finger davon! Ich habe extra für diesen Abend eine acht Seiten lange Rede geschrieben. Drei Stunden habe ich mich hinhalten lassen. Jetzt setze ich mich aber durch!«
»Alles klar, Alter! Beruhige dich wieder. Ich muss sowieso noch andere Kabel aufrollen.«
Obwohl nur noch der Tonmensch da ist, halte ich meine engagierte Rede. Verglichen mit meiner Rede ist das kommunistische Manifest nicht aufrüttelnder als die Speisekarte von Alis Dönerladen.
Aber wie heißt es so schön: Wenn man nur einen einzigen Menschen rettet, dann rettet man die ganze Menschheit. Und ich denke, wenn man auch nur einen einzigen Tontechniker überzeugt, dann überzeugt man in gewissem Sinne die ganzen Tontechniker der Menschheit.
»Ladies and Gentlemen, liebe Vereinsfreunde, hochverehrtes Publikum und liebe Tontechniker! Ich lebe seit mehr als 30
Jahren in diesem unserem Kaff..., ich meine natürlich in dieser schönen Stadt. Sie alle wissen, wessen man mich beschuldigt.
Sie alle wissen um die Ungerechtigkeiten des deutschen Ausländergesetzes. Ich gestehe, früher habe ich mich nie um das Ausländergesetz gekümmert. Ich habe mir früher niemals
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