Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)
die Tattoos nun einmal, um sie zu zeigen, und auf sonnengebräunter Haut sahen sie eindeutig geiler aus. Im Knast, wo sie ihm ein paar der Bilder gestochen hatten, hatte er ja nicht so viel Sonne gesehen.
Er richtete sich auf und wischte sich den Schweiß von den Schläfen. Er hätte große Lust auf was zu rauchen, aber die Mittagspause war gerade erst vorbei, also musste das warten, zumal der Chef in der Nähe war. Der stand drüben auf der Leiter und machte die Krähen klar. Er selbst hätte das nicht gekonnt, unschuldigen Vögeln was antun, er war ja kein Tiermörder.
Die beiden Urlaubertussis hingen auf ihren Liegen unterm Sonnenschirm herum und schienen sich nicht dafür zu interessieren, was in der Birke abging. Der ältere der beiden Söhne des Verwalters hielt die Leiter, während sein Vater oben mit einem Müllgreifer die Krähennester samt Inhalt aus den Ästen pflückte. Man konnte das hilflose Fiepen der geschlüpften Kücken bis in das Rosenbeet hören. Der Chef hatte es so abgepasst, dass die Vogeleltern gerade auf Futtersuche waren, während er sein Gemetzel anrichtete. Drei Nester machte er platt. Petersen lachte bitter in sich hinein. Und so was nannte sich Biolandwirt.
Er selbst hätte keiner einzigen Krähe auch nur eine Feder krümmen können. Schließlich hatte er lange genug gesessen und jahrelang an sich herumtherapieren lassen. Für irgendwas muss das ganze Knastgesitze doch gut gewesen sein, hatte seine Mutter seitdem immer wieder gesagt, immerhin bist du deine Aggressionen losgeworden. Er hätte sie dafür würgen können.
Schließlich war er nun wirklich der Frieden in Person. Oder zumindest gewesen. Bis dieser Mann aufgetaucht war. Dieser dunkelhäutige Prinz Protz. Jeden Tag schön reiten und Bötchen fahren und tauchen im See und die Frauen anbaggern. Er hatte ihn beobachtet, wie super er sich mit den Mädels verstand, auch mit Lissy, und schon bald hatte er ihn gehasst wie die Pest. Die blanke Wut war zu ihm zurückgekehrt, alles Kiffen hatte nichts genützt, und wenn er ihm mal wieder ein Pferd von der Koppel holen musste, Hufe auskratzen, Putzen und Satteln, das volle Programm, da hatte er sich schon sehr zusammenreißen müssen, dass er dem Pferd nicht einfach mal voll auf den Mors klatschte, wenn der Typ gerade beim Aufsitzen war, damit es ihm unter dem Hintern wegrannte.
Auch wenn er der Herrschaft beim Aufsitzen half, musste er sich oft zusammenreißen. Denn er durfte sich für sie abschuften und sollte auch noch dankbar sein, dass sie ihm so großzügig einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellten. Dabei taten sie so, als müssten Landleben und Biofraß einen Menschen zum Guten bekehren. Die hatten keine Ahnung, die Deppen. Von deren Sohn, diesem Hampelmann, ganz zu schweigen. Der mit seinen ganzen bescheuerten Freunden. Einmal ein bisschen schräg angeguckt, kriegten die doch schon das große Zittern. Das Einzige, was denen wirklich Sorgen bereitete, waren die Drogentests in ihrem Schnöselinternat nach den Ferien.
Aber immerhin war dieser Jon schon mal weg, und er, Cord Petersen, hielt den Schlüssel zu seinem zukünftigen Glück endlich in der Hand. Eigentlich war es fast zu schön, um wahr zu sein. Verträumt legte er den Kopf in den Nacken und sah in den Himmel. Wie oft hatte er diesen Wolken da oben schon hinterhergesehen und sich gewünscht, mit ihnen ziehen zu können.
Während ihm diese Gedanken durch den Kopf schwirrten, sah er zwei Leute in den Garten kommen, einen Mann und eine Frau. Mit einem Ruck beugte er sich nach unten, tief zwischen die Rosen. Er spürte nicht, wie die Dornen seine Arme zerkratzten und sich tief in die sonnenverbrannte tätowierte Haut ritzten. Verdammt, dachte er, warum sind die denn schon hier?
Island lag auf einer rückenergonomisch gestalteten Sonnenliege, die mit einem flauschigen, mintgrünen Handtuch bedeckt war, bewegte gelegentlich die Fußgelenke in den Stützstrümpfen und hielt sich das Buch vom kochenden Adel vor die Nase. Dem jungen Mann im Rosenbeet schienen Sonne und Hitze nichts auszumachen. Er war mit ausdruckslosem Gesicht dabei, die Büsche zu bearbeiten. Seine Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz gebunden, aber die Tattoos auf seinen Oberarmen glänzten vor Schweiß. Einen kurzen Moment glaubte sie, auf seinem Arm ein Hakenkreuz zu erkennen, aber schon hatte er sich weggedreht, und sie war sich nicht mehr sicher, ob sie sich womöglich geirrt hatte.
Frau Dormann lag neben ihr, in einem für ihr Alter sehr gewagten
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