Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)
Ihr Gast denn mit dem Auto da?« Das war Henna Franzens Stimme.
»Nein, Herr Theissen ist mit dem Zug angereist. Petersen, unser Gestütsmitarbeiter, hat ihn in Kiel vom Bahnhof abgeholt.«
»Wann?«
»Am Freitag vor zwei Wochen.«
»Und hat Petersen ihn auch zurückgefahren zum Bahnhof?«
»Nein. Herr Theissen hatte nur einen großen Rucksack als Gepäck dabei. Vielleicht hat er den Bus von Groß Nordsee aus genommen.«
»Leider haben wir Jon Theissen nicht weit von hier tot aufgefunden«, sagte Jan Dutzen. »Wir ermitteln wegen Mordes.«
Autsch, dachte Island. Dutzen war wirklich nicht gerade einfühlsam. Die Reaktion der Befragten kam prompt. Lena von Dünen beugte sich vor, als habe ihr jemand in den Magen geboxt. »Nein!«
Henna Franzen legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Es tut uns leid, dass wir Sie mit so einer Nachricht konfrontieren müssen. Aber Sie werden Verständnis dafür haben, dass wir Ihnen und Ihren Gästen dringend ein paar Fragen stellen müssen.«
»Sicher.« Die Wirtin schluckte.
»Ist Ihnen in der Zeit, als der Mann bei Ihnen zu Gast war, etwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
»Hatte er Streit mit jemandem?«, fügte Dutzen ungeduldig hinzu.
Frau von Dünen zog einen Küchenstuhl heran und ließ sich darauf nieder wie ein Häufchen Elend.
»Er war ein sehr angenehmer Gast. Gut gelaunt. Locker. Zufrieden. Alle waren ihm wohl gesonnen. Da denkt man doch im Traum nicht daran, dass …« Ihre Stimme versagte.
»Wir haben bereits mit Herrn Dr. Tüx gesprochen. Er hat uns in allen Fragen, die das Anwesen betreffen, an Ihren Mann verwiesen. Wir würden jetzt gern mit ihm sprechen. Und auch mit den Gästen und Angestellten.«
»Tun Sie alles, was Sie müssen. Mein Mann ist bei den Pferden drüben.«
Frau Dormann stupste Island in die Seite, und gemeinsam traten sie den Rückzug ins Speisezimmer an.
»Das gibt’s ja nicht.« Frau Dormanns Gesicht war kalkweiß geworden. »Jon lebt nicht mehr?«
Da waren in der Diele auch schon Schritte zu hören, und Dutzen stand in der Tür.
»Moin.«
Er trug ein kurzärmliges, gestreiftes Sommerhemd und eine helle Jeans. Seine Augen funkelten sehr aufmerksam, und Island unterdrückte ein Lächeln.
»Entschuldigen Sie die Störung. Wir kommen von der Mordkommission Kiel und hätten ein paar Fragen.«
Auch Franzen, die hinter ihm herkam, trug Jeans und dazu eine Kurzarmbluse. Zusammen sahen die beiden aus, als wäre ihr gemeinsames Hobby Squaredancing. Und wer weiß, dachte Island, vielleicht ist Schwimmen längst nicht das Einzige, was die beiden verbindet.
»Wir sind hier, weil wir Nachforschungen über den Tod von Herrn Jon Theissen durchführen«, fuhr Dutzen fort.
Frau Dormann machte große Augen und sah erschrocken aus. Island zuckte beiläufig mit den Schultern.
»Sie haben hier zusammen den Urlaub verbracht. Was können Sie uns über den Mann sagen?«, wollte Franzen wissen.
»Ich bin erst seit zwei Tagen hier«, zog sich Island aus der Affäre und entfernte demonstrativ ein paar Brotkrümel von der Tischplatte.
»Und Sie?«, wandte sich Dutzen an Frau Dormann.
Diese strich sich nervös durchs Haar. Die Goldringe, die sie heute an ihren Fingern trug, glänzten. »Wir haben hier zusammen gegessen. Dabei haben wir uns manchmal ein wenig unterhalten, wie man es so tut unter Zimmernachbarn. Sonst nichts. Wie ist er denn gestorben?«
»Dazu dürfen wir leider gar nichts sagen.«
»Wie bedauerlich.«
»Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?«
Frau Dormann drehte die Ringe an ihren Fingern, einen nach dem anderen. »Vergangenen Dienstag beim Abendessen. Es gab Paella. Wir haben uns über Spanien unterhalten und darüber, dass die Weltmeere leer gefischt werden und dass man dagegen etwas tun müsste. Anschließend bin ich wie immer mit meinem Hund raus. Ich erinnere mich daran, dass Herr Theissen sich ein bisschen hinlegen wollte.«
»Gleich nach dem Abendessen?«
»Er hatte später noch etwas vor. Ich meine mich zu erinnern, dass er Tiere beobachten wollte, Kröten, Seeadler oder so was. Ich habe leider vergessen, was es war.«
»War das das letzte Mal, dass Sie ihn gesehen haben?«
Lotti Dormann nickte unsicher, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
29
D as gerippte Unterhemd klebte ihm am Rücken. Cord Petersen hockte im Rosenbeet und schnitt verdorrte Blüten aus den Büschen. Er überlegte gerade, ob Tattoos eigentlich schwächer wurden, wenn sich die Haut nach Sonnenbränden abschälte. Aber er hatte
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