Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)
Irgendwo dort stand ein dieselbetriebener Generator, der wahrscheinlich für den Ölfilm auf dem Wasser verantwortlich war.
Island leuchtete noch einmal die Wände ab. Es gab zwei Türen. Die eine führte in eine leere Kammer mit gestampftem Lehmboden, die andere in einen fensterlosen Raum, in dem ein Schreibtisch stand. Feuchtigkeit sickerte aus den Wänden. Wenn die Täubchen hier gewesen sind, dachte sie, dann sind sie ausgeflogen.
Etwa zusammen mit dem ominösen U-Boot? War es nur ein verrückter Gedanke, oder konnte es sein, dass die Jugendlichen das U-Boot flottgemacht hatten und nun, mitten in der Nacht, in dem stillgelegten Seitenkanal damit herumschipperten? Da würden sie ja nicht weit kommen. Der Kanal war schmal und nicht besonders tief. Auf der einen Seite reichte er bis zur Eider, die so schmal und flach war, dass gerade einmal Paddler darauf fahren konnten, auf der anderen Seite endete er an der stillgelegten Strohbrücker Schleuse.
Der Gedanke, dass man mit einem U-Boot die Schleusen benutzen könnte, war so abwegig, dass Island ihn sofort wieder verwarf. Sie gähnte. Wo auch immer die jungen Leute jetzt steckten, sie war müde und wollte wieder ins Bett. Bevor sie den engen Raum verließ, blieb sie vor dem morschen Schreibtisch stehen. Unter einer altmodischen Bürolampe befand sich ein unscheinbarer Karton, auf dessen Seite ein säuberlich beschriftetes Schildchen klebte: 252 Militaria .
Island pfiff durch die Zähne. Sie zog den Karton heran und öffnete den Deckel. Ein Stapel Mappen kam zum Vorschein. Sie zog die Karteikarten aus ihrer Handtasche, breitete sie auf dem Tisch aus und verglich sie mit den Beschriftungen auf den Mappen. Zwei Mappen fehlten: 252. VII Unreine Gründe: Munition und 252. VIII Chemische Kampfstoffe/Giftgas.
Island klemmte sich den Karton unter den Arm und verließ den Betonbau.
Draußen dämmerte es bereits. Die ersten Vögel begannen ihren Reviergesang. Diese kurzen Sommernächte machten einen schon ein bisschen high, besonders wenn man sie mit so wenig Schlaf verbrachte. Auf dem Weg zurück musste sie sich eingestehen, dass sie es nicht schaffen würde, den Karton bis auf ihr Zimmer zu schleppen. Nur mit Müh und Not erreichte sie mit ihrer Last das Bootshaus, wo sie den sperrigen Kasten unter einem der Paddelboote versteckte.
In ihrem Zimmer, in dem bei ihrer Rückkehr kein Licht mehr brannte, sank sie aufs Bett. Trotz der morgendlichen Helligkeit, die durch die Fenster drang, schlief sie sofort und ohne einen weiteren Gedanken fassen zu können, ein.
41
F ritzi wedelte freudig mit dem Schwanz, als Island am nächsten Morgen das Speisezimmer im Verwalterhaus betrat. Lotti Dormann saß bereits am Tisch, in engen Shorts und Sport-T-Shirt, und träufelte sich Honig auf ihr Brötchen.
»Wohl geruht?«, fragte sie, vornehm die Lippen schürzend.
»Danke, und selbst?«
Lotti Dormann nickte. »Ich war schon joggen.«
»Wo ist eigentlich Frau von Dünen?«, fragte Island. »Ich habe sie gar nicht in der Küche gesehen?«
»Sie liegt mit hohem Fieber im Bett. Die Kinder hat sie nach Lübeck zu einer Freundin geschickt. Peter von Dünen hat sie weggebracht.«
In diesem Moment fiel Island auf, dass am Nachbartisch keine Frühstücksgedecke mehr standen.
»Die Hubers sind abgereist«, sagte Lotti Dormann bedauernd. »War wohl doch alles ein bisschen viel.«
»Hat die Polizei vorher mit ihnen gesprochen?«
»Das wollte Herr Huber ja die ganze Zeit. Aber dann war es wohl doch kein so gutes Gespräch.«
»Hast du etwas davon mitbekommen?«
»Nur dass sie sofort danach die Koffer gepackt haben und weggefahren sind. Ehrlich gesagt kann ich das gar nicht verstehen. Man will doch auch wissen, wer der Mörder war, wenn die Polizei nun schon auf dem Hof ist.«
In diesem Moment klingelte Jan Dutzen sie auf dem Handy an. Island stand auf und ging in den Flur.
»Moin, Olga. Hast du eine Ahnung, wo Henna steckt?«
»Nein, wieso?«, fragte Island erschrocken.
»Sie wollte doch gestern Abend zu dir rausfahren. Seitdem kann ich sie nicht erreichen.«
»Wir waren in Wrohe zum Essen verabredet, aber Henna ist nicht gekommen. Und sie ist auch nicht rangegangen, als ich sie angerufen habe.«
»Mann, da stimmt doch was nicht.«
»Vielleicht ist sie krank und liegt zu Hause im Bett?«
»Dann hätte sie doch abgesagt. Außerdem habe ich bei ihr zu Hause angerufen. Swantje sagt, Henna ist gestern Morgen zur Arbeit gefahren und seitdem nicht mehr da gewesen.«
»Vielleicht
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