Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)
Vertraulichkeit zu.«
Herbert Lembke zog die Augenbrauen zusammen und deutete auf einen der Sessel, ehe er selbst Platz nahm. Beim Hinsetzen spürte Island die Sprungfedern in der Sitzfläche.
»Dann wollten Sie also gar nicht Urlaub machen auf Kreihorst?«, fragte er.
»Nein. Nicht wirklich.«
Er nickte. »Eigentlich spreche ich nicht gern darüber. Es war ein bitterer Abgang. Der Tüx hat mich vor versammelter Mannschaft heruntergeputzt und des Hofes verwiesen. Dabei war ich mehr als zwanzig Jahre dort tätig.«
»Was war denn vorgefallen?«
Lembke langte nach einem mit Erdnüssen gefüllten Glasschälchen auf dem Couchtisch. Er bot Olga welche an und bediente sich dann selbst.
»Tüx hat das Gut vor drei Jahren gekauft. Ich habe gleich gewusst, dass sich mit dem neuen Besitzer alles ändern würde. Der feine Herr, der die Welt mit seinen Plastikflaschen überschwemmt, hatte damals nämlich beschlossen, sein Biofähnchen in den Wind zu halten. Auf seinem holsteinischen Sommersitz konnte es plötzlich gar nicht ökologisch genug zugehen. Es war klar, dass er den alten Verwalter austauschen würde. Zumal der neue, dieser Peter von Dünen, auch noch für viel weniger Geld arbeiten sollte. Also fand Tüx einen nichtigen Anlass, um mich loszuwerden. Er warf mir vor, dass ich eines der Pferde seiner Frau falsch hätte füttern lassen, weshalb es eine Kolik bekam. Und dann warf er mich raus. Dabei musste das Pferd nicht mal zum Tierarzt. Es hat völlig gereicht, das Tier zwei, drei Stunden an der frischen Luft herumzuführen. Außerdem war die Versorgung völlig korrekt. So was kommt einfach mal vor, auch wenn man die Tiere in Watte packt.«
»Sie sind immer noch wütend auf Ihren ehemaligen Arbeitgeber?«
»Wären Sie das nicht? In meinem Alter bedeutet eine Kündigung das Ende. Luise verkauft jetzt bei gutem Wetter drüben auf dem Parkplatz an der Fähre heiße Würstchen, manchmal helfe ich ihr dabei.«
»Kennen Sie den Gutsarbeiter Cord Petersen?«
»Nein, der muss nach unserer Zeit eingestellt worden sein.«
»Und Lissy Heinke?«
»Lissy kenne ich gut. Sie ist im Mai letzten Jahres auf den Hof gekommen. Als wir auszogen, ist sie von dort abgehauen. Sie hatte ein enges Verhältnis zu meiner Frau und konnte nicht ertragen, wie die Herrschaft mit uns umgegangen ist. Sie soll aber später zurückgekehrt sein.«
»Lissy ist vor einigen Tagen wieder verschwunden. Haben Sie eine Ahnung, wo sie sich aufhalten könnte?«
»Nein.«
»Stimmt es eigentlich, dass Tüx seinen Angestellten nur wenig Geld zahlt?«
»Der spart doch, wo er kann, und am meisten beim Personal. Trotzdem erwartet er, dass man sich mit seiner Sache voll und ganz identifiziert. Sobald er im Grundbuch stand, bekamen meine Frau und ich ein Viertel weniger ausgezahlt, weil wir in einem so wertvollen, alten Haus lebten und durch die Vermietung im Sommer so hohe Einnahmen erzielten. Dabei hatten wir alles auf eigene Rechnung hergerichtet. Nee, der Tüx ist ein Geizhals. Der hat sein Geld lieber in die Sicherheitsüberwachung gesteckt. Und in das alte Zeug, mit dem er die Scheunen gefüllt hat. Dieses verrückte, sicherlich sauteure U-Boot zum Beispiel.«
»Ein U-Boot?«
»Genau. Es ist als Beiboot für seine Jacht gedacht, die er sich bereits seit zwei Jahren bei Nobiskrug in Rendsburg bauen lässt.«
Die Mittel des Herrn Dr. Tüx schienen unbegrenzt. Der Reichtum hinderte ihn aber nicht daran, seine Angestellten auszubeuten und seine Frau zu schlagen.
»Herr Lembke, ich bin eigentlich noch wegen einer ganz anderen Sache gekommen. Können Sie damit etwas anfangen?«
Sie zog die Karteikärtchen aus dem Gutsarchiv aus der Handtasche und reichte sie dem Mann.
Herbert Lembke hob überrascht die Augenbrauen.
Island wartete.
»Eine kleine Sammlung von Fakten zum Thema Krieg«, sagte der Verwalter ernst.
»Und was genau sind das für Unterlagen, die auf den Karteikarten genannt sind?«
Lembke blätterte die Kärtchen langsam durch.
»Ich habe dem alten Besitzer geholfen, das Archiv zu ordnen. Nach und nach bin ich alles durchgegangen, habe die Aktentitel auf den Kärtchen festgehalten und die Kartons beschriftet. Das war eine interessante Tätigkeit für die Wintermonate.«
»Die Militärakten von diesen Karteikarten sind aber zurzeit nicht mehr an Ort und Stelle«, erklärte Island. »Was stand denn drin?«
»Das sind alles Sachen, die ursprünglich gar nicht ins Gutsarchiv gehörten. Irgendjemand hat sie aus der Militärabteilung des
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