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Kandide oder die beste aller Welten

Kandide oder die beste aller Welten

Titel: Kandide oder die beste aller Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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    Die Langohren banden ihre Gefangnen los, erwiesen ihnen ungemein viel Höflichkeiten, setzten ihnen Mädchen vor, Erfrischungen und begleiteten sie bis an die äußersten Grenzen unter dem lauten Jubelgeschrei: 's ist kein Jesuit nicht! 's ist kein Jesuit nicht!
    Sonderbar die Ursach meiner Befreiung, sagte Kandide. Und sonderbar dies Volk und ihre Sitten! Wie gut es war, daß ich dem Bruder der Baroneß Kunegunde den Degen bis ans Heft in den Leib gejagt hatte, sonst hätt' ich ohne alle Barmherzigkeit an den Spieß gemußt. Bei alle dem, die pure, rohe Natur ist auch so übel nicht. Denn wie äußerst höflich waren nicht die Leutchen gegen mich, als sie erfuhren, ich wäre kein Jesuit; da war gar nicht mehr die Rede vom Auffressen.

Siebzehntes Kapitel: Kandide kommt mit seinem Bedienten nach Eldorado. Was sie da gesehn
    Wie sie über den Grenzen der Langohren waren, sagte Kakambo zu Kandiden: Sie sehn wohl, diese Hälfte der Erdkugel ist sowenig 'nen Pfifferling wert wie jene. Das Gescheitste wäre, wir gingen wieder nach Europa, und das je ehr, je besser. Kandide. Wieder nach Europa? Und wo dann hin? Nach Westfalen, da schlagen Bulgaren und Abaren tot, was lebendigen Odem hat, nach Portugal, da werd' ich verbrannt; und bleiben wir hier, so sind wir keinen Augenblick sicher, gespießt und aufgezehrt zu werden. Und doch kann ich mich nicht entschließen, den Teil der Welt zu verlassen, der meine Kunegund' in sich schließt.
    Kakambo. I, wissen Sie was! so wollen wir nach Karolina gehn. Dort finden wir Engländer, die ziehn durch die ganze Welt. Helfen tun uns die gewiß; es sind gar gute Geschöpfe, und Gott wird uns auch beistehn.
    Nach Karolina zu kommen, war so leicht eben nicht; nach welcher Seite sie ihre Richtung nehmen mußten, wußten sie wohl so ungefähr; allein von allen Seiten her türmten sich ihnen schreckliche Hindernisse entgegen; Gebirge, Flüsse, Abgründe, Straßenräuber und Wilde. Ihre Gäule wollten vor Strapazen umfallen, ihr Proviant war rein alle; schon einen ganzen Monat lang nährten sie sich mit Kokosfrüchten. Endlich gelangten sie an das Ufer eines kleinen Flusses, das mit Kokosbäumen besetzt war. Da fanden sie wieder Nahrung ihres Lebens und ihrer Hoffnung.
    Kakambo, ein so stattlicher Ratgeber wie die Alte, sagte zum Kandide: Weiter können wir nicht; haben auch schon 'nen ganz artgen Marsch gemacht. Dort am Ufer steht ein leeres Kanot, wollens mit Kokosnüssen anfüllen und uns 'reinwerfen. Der Strom mag uns hinführen, wo er hin will. Er bringt uns gewiß nicht hin, wo die Welt mit Brettern vernagelt ist. Mag's uns nun gut gehn oder nicht; kriegen wir doch wieder was Neues zu Gesichte. Es sei drum, sagte Kandide. Die Vorsicht steh' uns bei.
    Sie trieben so etliche Meilen fort; bald war das Gestade blühend und lachend, bald öd' und dürr, bald niedrig, bald steil. Der Fluß ward immer breiter und verlor sich in eine Kluft von schrecklichen, himmelanstrebenden Felsen. Die beiden Reisenden waren so dreist, sich auch hier noch den Fluten zu überlassen. Der sich hierselbst verengende Fluß riß sie mit fürchterlichem Getöse schnell hindurch. Nach vierundzwanzig Stunden sahen sie das Tageslicht wieder, scheiterten aber gegen die Klippen.
    Eine ganze Meile weit mußten sie sich von Klippe zu Klippe fortarbeiten, endlich lag eine unermeßliche Ebene vor ihnen, um die sich eine Kette unersteiglicher Gebirge schlang. Wohl gepaart herrschten Nutzen und Vergnügen auf diesen Feldern, und der Nutzen hatte immer die Miene des Angenehmen. Auf allen Wegen und Stegen prangten Wagen einher, deren Bauart so ausnehmend nett war als glänzend die Materialien; bildschöne Männer und Weiber saßen darauf; große rote Hammel zogen sie mit der größten Schnelligkeit fort. An Flüchtigkeit übertrafen diese Tiere die besten Gäule aus Andalusien, Tetuan und Mequinez.
    Das ist ja ein ganz ander Land als Westfalen! rief Kandide. Bei dem ersten Dorfe, das sie antrafen, kletterte er mit Kakambo'n vom Felsen herunter. Wie sie in den Flecken hereintraten, fanden sie einige Bauerjungen in zerlumpten brokatnen Jacken, Wurfscheiben spielen. Sie konnten sich gar nicht satt an ihnen schauen. Ihre Steine waren ziemlich breit, rund, sahen gelb, rot und grün aus und hatten ausnehmenden Glanz. Unsre Reisenden kamen auf den Einfall, einige davon aufzuheben, und siehe, es war Gold, Smaragden und Rubine. Der kleinste von diesen Edelsteinen würde dem Thron des Großmoguls zur größten Zierde gedient haben.

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