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Kandide oder die beste aller Welten

Kandide oder die beste aller Welten

Titel: Kandide oder die beste aller Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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Bein und die rechte Hand fehlte dem armen Schelm. Mein Gott! rief ihm Kandide auf Holländisch zu, Freund, was machst du hier in dem entsetzlichen Zustande? „Ich warte auf meinen Herrn, den Herrn van der Dendur, den großen Kauf- und Handels-Herrn." Hat der Herr von der Dendur dich so verstümmelt? frug Kandide.
    „Wohl, lieber Herr. Das ist nun einmal so eingeführt. Alle Jahre kriegen wir zwei Paar Leinwandhosen und weiter auch kein Flittchen, uns zu bedecken. Huscht mal die Zuckermühle, worin wir arbeiten müssen, uns einen Finger weg! schwapp! schlagen sie uns die Hand ab, und wollen wir davonlaufen, hacken sie uns das Bein weg. Mir ist das beides zugestoßen. — Sehn Sie, um d e n Preis kriegen Sie in Europa den Zucker zu essen! Und doch sagte meine Mutter zu mir, wie sie mich für zehn Albertustaler auf der Küste von Guinea verkaufte: Liebes Herzenskind, preis' und danke unsern Fetischen, und bete sie immer an; sie werden dir ein langes, glückliches Leben schenken. Du hast die Ehre, ein Sklave von unsern Herren, den Weißen zu werden, und machst dadurch Vater und Mutter glücklich."
    „Ob sie's geworden sind, weiß ich nun nicht, daß ich's aber nicht geworden bin, das weiß der liebe Gott im Himmel! Hund und Aff' und Papagei hat tausendmal weniger auszustehn als ich. Ich werde geschurigelt, 'runtergerackert wie all' nichts guts. Die holländischen Fetischirs, die mich bekehrt haben, schwatzen uns Sonntag vor Sonntag vor: wir wären alle Adamskinder, Weiß' und Schwarze. Ich kann's ihnen nun nicht nachrechnen; wenn sie aber keine Lüge sagen, na so sind wir alle Geschwisterkinder. Und alsdann müssen Sie mir einräumen, daß man unmöglich seine Anverwandten hündischer traktieren kann als uns."
    O Panglos! auf diese Greueltaten bist du nie gefallen! rief Kandide. Nicht anders, ich muß zuletzt deinen Lehrsatz fahren lassen! Was für einen Lehrsatz? sagte Kakambo. Oh! den rasendsten von der Welt! sagte Kandide. Der Mann behauptete, wenn alle Stürme des Unglücks über ihm zusammenschlugen: diese Welt sei doch die beste!
    Voll Mitleid verweilte Kandiden's Blick auf dem unglücklichen Negersklaven, und er vergoß Tränen. Mit Zähren auf den Backen und im Auge ging er nach Surinam hinein.
    Vor allen Dingen erkundigten sie sich, ob kein Schiff im Hafen läge, das man nach Buenos Aires senden könnte. Der Mann, an den sie sich gewandt hatten, war grade ein spanischer Schiffspatron. Er erbot sich, es für ein Billiges zu tun, und beschied sie in ein Wirtshaus, um dort weitre Abrede zu nehmen. Kandide fand sich samt dem treuen Kakambo und seinen zwei Hammeln daselbst ein.
    Kandide, dem das Herz immer auf der Zunge saß, erzählte dem Spanier all seine Abenteuer, und platzte auch mit seinem Vorhaben heraus, Baroneß Gundchen zu entführen. Da werd' ich kein Narr sein und Sie nach Buenos Aires bringen, sagte der Schiffspatron. Ich müßte sowohl an den hellen lichten Galgen wie Sie. Die schöne Kunegunde ist Favoritmätresse von Ihro Exzellenz, dem Herrn Gouverneur.
    Das war ein Donnerstrahl, der Kandiden ganz zu Boden schmetterte. Er lag lange da und weinte sich aus, endlich sprang er auf und führte Kakambo'n in ein Seitenkabinett. Hör', lieber Freund, sagte er: Du hast so wohl wie ich fünf bis sechs Millionen Diamanten in der Tasche. Der gescheitste Rat nun ist der: Du gehst damit nach Buenos Aires und kaufst Baroneß Kunegunden los. Das wird dir Pfiffkopf nicht schwerfallen. Macht Don Fernando Umstände, so gib ihm eine Million, will er noch nicht, gib ihm zwei. Fallen können dir gar nicht gelegt werden, denn du hast keinen Inquisitor umgebracht. Ich segle indes nach Venedig und erwarte dich daselbst. Dort kann ich sicher sein vor Bulgaren und Abaren, vor Juden und Inquisitoren; es ist ein freier Staat.
    Kakambo fand das sehr gut ausgedacht, es zerschnitt aber sein Herz, sich von einem so guten Herrn trennen zu müssen, der sein Busenfreund geworden war; indes siegte der angenehme Gedanke, ihm nützlich sein zu können, über den Schmerz, von ihm zu scheiden. Mit heißen Tränengüssen umarmten sie sich; Kandide knüpfte ihm fest ein, die gute Alte ja nicht zu vergessen, und Kakambo reiste noch selbiges Tages fort. Es war ein rechter guter ehrlicher Schlag, der Kakambo!
    Kandide blieb noch eine Zeitlang in Surinam und wartete, bis ein andrer Schiffspatron ihn und den kleinen Überrest seiner Hammel nach Italien fahren wollte; er nahm Bedienten an und kaufte alle Bedürfnisse zu einer so langen Reise

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