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Kandide oder die beste aller Welten

Kandide oder die beste aller Welten

Titel: Kandide oder die beste aller Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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ein. Da saß' er in der Klemme, der gute Panglos, wenn er jetzt sein System verfechten wollte. Hätt' ich ihn doch nur hier. Wahrlich! wenn's irgendwo gut geht, so ist's einzig und allein in Eldorado.
    Seine Wahl fiel endlich auf einen armen Gelehrten, der zehn Jahre für die Amsterdamer Buchhändler gearbeitet hatte. Er glaubte, es könnte auf der Welt unmöglich ein Metier geben, dessen man eher überdrüssig würde.
    Dieser Gelehrte, sonst ein herzensguter Mann, war von seiner Frau bestohlen, von seinem Sohne durchgeprügelt und von seiner Tochter um eines jungen Portugiesen willen verlassen worden. Eines Ämtchens, das sein einzger Wagen und Pflug war, hatte man ihn eben entsetzt und die Surinamschen Prediger verfolgten ihn mit Gözischem Eifer, weil sie in ihm einen Socinianer wähnten.
    Zur Steuer der Wahrheit müssen wir bekennen, daß die übrigen neunzehn wenigstens ebenso unglücklich waren wie dieser Mann; allein Kandide hoffte, dieser Gelehrte würde auf der Reise alle Langeweile zu verbannen wissen. All seine Nebenbuhler verdroß Kandidens Wahl sehr; sie waren aber gleich wieder besänftigt, wie er jedem hundert Piaster gab.

Zwanzigstes Kapitel: Seeabenteuer Kandidens und Martins
    Der alte Gelehrte, der Martin hieß, schiffte sich also mit Kandiden nach Bordeaux ein. Beide hatten viel gesehen, viel erlitten, und wäre das Schiff von Surinam aus über das Vorgebirge der guten Hoffnung nach Japan gegangen, so würd' es ihnen doch nicht an Stoff gefehlt haben, sich die ganze Reise hindurch mit dem physischen und moralischen Übel zu unterhalten. Indes hatte Kandide einen großen Vorteil gegenüber Martin, er hoffte noch immer, Baroneß Gundchen wiederzusehn, und Martin hatte gar keine Hoffnung mehr; überdies besaß jener Gold und Diamanten, und ob er gleich hundert dicke rote Hammel, mit den größten Schätzen der Erde beladen, verloren hatte, ob ihm gleich des holländischen Schiffspatrons Prellerei noch in's Herz schnitt, so schwankte er dennoch, wenn er an den Inhalt seiner Taschen dachte oder von seinem Gundchen sprach und zumal, wenn er die Gläser klingen hörte, nach Panglosens System hin.
    Aber was denken Sie von alle dem, lieber Martin? sagte er. Was halten Sie vom physischen und moralischen Übel?
    Martin. Lieber Kandide, die Pastoren dort klagten mich als Sozinianer an, aber die rechte Wahrheit zu sagen, ich bin ein Manichäer.
    Kandide. Haben Sie mich nicht zum besten. Es gibt ja keine Manichäer mehr in der Welt.
    Martin. So bin ich der einzige, ich kann nun einmal nicht anders denken.
    Kandide. So muß der Teufel in Sie gefahren sein, Herr.
    Martin. Leicht möglich! So wie der hienieden allenthalben herumspukt und sein Wesen hat, kann er's auch in meinem Leibe. Ich muß Ihnen gestehn, wenn ich so einen Blick auf die Erdkugel oder vielmehr auf dies winzige Erdkügelchen werfe, daß mir der Gedanke nicht aus dem Kopf will: Gott habe einem bösen Geiste die Macht eingeräumt, eignes Beliebens damit zu schalten und zu gebaren; Eldorado nehm' ich hiervon aus.
    Ich habe keine Stadt gesehn, die nicht nach dem Untergang ihrer Nachbarin dürstete, keine Familie, die nicht nach der Ausrottung einer anderen lechzte; ich seh' allenthalben, wie die Schwachen die Mächtigen verabscheuen, vor welchen sie kriechen müssen, und wie diese jenen als einer Herde begegnen, der Woll' und Fleisch feil ist; sehe wie eine Million eingeregimenteter Schnapphähne Europa von einem Winkel zum andern durchströmt, mordet und straßenraubt, und das alles mit der schärfsten Mannszucht, bloß um ein Stückchen Brot zu verdienen, das er auf keine ehrenvollere Art zu verdienen weiß. Und in Städten, die im völligsten Genuß des Friedens zu sein scheinen, worin Künst' und Wissenschaften blühen, martert, reibt die Einwohner Eifersucht, Gram und Kummer weit mehr auf, als alle Drangsale und Schrecknisse der Hungersnot und Verzweiflung in einer belagerten Stadt es tun können. Herzenskummer ist noch härter, marternder als das allgemeine Elend. Mit einem Wort, ich habe soviel gesehn, soviel erlitten, daß ich Manichäer geworden bin.
    Kandide. Doch gibt's noch viel Gutes in der Welt.
    Martin. Kann sein, bis dato ist mir's aber noch nicht zu Gesicht gekommen.
    In dem Gezeter, das sich hierüber anspann, waren sie noch nicht weit, als sie einige Kanonenschüsse hörten; jeden Augenblick wurden die Schüsse heftiger. Sie nahmen ihre Sehröhren und wurden in einer Entfernung von ungefähr drei Meilen zwei Schiffe gewahr, die

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