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Kandide oder die beste aller Welten

Kandide oder die beste aller Welten

Titel: Kandide oder die beste aller Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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ein. Endlich ließ sich der Herr eines ansehnlichen Schiffes bei ihm melden. Es war Mynheer van der Dendur.
    Wie viel verlangen Sie, mich, meine Leute, mein Reisegepäck und die beiden Hammel recta nach Venedig zu schaffen? sagte Kandide. Der Schiffspatron forderte zehntausend Piaster. Kandide schlug gleich ein.
    Hoho! sagte Schlaukopf van der Dendur im Weggehn zu sich selbst: schlägt gleich zu: Dem Ausländer ist das so gleichviel, zehntausend Piaster hinzugeben. Der muß gewaltig viel vor den Daumen zu schieben haben. Einen Augenblick nachher kam er wieder zurück und versicherte, unter zwanzigtausend Piaster könnt' er ihn nicht mitnehmen. Nun gut, das Geld sollen Sie haben, sagte Kandide.
    Der Daus! murmelte der Kauf mann in den Bart, dem sind zwanzigtausend Piasters so'n Pappenstiel wie zehn. Hm! hm! Und kehrte wieder um und schwur Stein und Bein, daß er ihn nicht nach Venedig schaffen könnte, wenn er ihm nicht wenigstens dreißigtausend Piaster gäbe. Ja, die sollen Sie haben, sagte Kandide. Blitz! auch die! Fallen ihm die dreißigtausend Piaster ebenso aus dem Ärmel! sagte der Holländer. Ohne Zweifel müssen die beiden Hammel unermeßliche Schätze haben. Will ihm vor der Hand nichts weiter abfordern und mir die dreißigtausend Piaster gleich bezahlen lassen, das übrige wird sich schon finden.
    Kandide verkaufte zwei kleine Diamanten, davon der schlechteste mehr betrug als des Schiffers ganze Forderung. Er bezahlte im voraus; seine beiden Hammel wurden eingeschifft; er setzte sich auf ein klein Fahrzeug, um das Schiff in der Reede zu erreichen. Der Patron ersah seine Zeit, spannte die Segel, lichtete die Anker, und unter dem günstigsten Winde stach er flott in See.
    Kandide ganz verdutzt, verlor ihn bald aus den Augen. Ha! schrie er, das Stückchen schmeckt völlig nach der alten Welt! In ein Meer von Schmerz versenkt nahte er sich dem Ufer. War ihm seine Betrübnis zu verdenken? Was er einbüßte, das hätte das Glück von zwanzig Monarchen gemacht.
    Er eilte zum holländschen Richter, pochte ziemlich stark an, brauste herein — denn er war noch in der ersten Gährung — erzählte sein Abenteuer, und in der Wärme des Erzählens wird er ein wenig lauter, als sich's ziemte. Für all' das Gebuller erlegen Sie sogleich zehntausend Piaster! diktierte ihm der Richter! Hierauf hört' er ihn geduldig aus, versprach die Sache vorzunehmen, sobald der Kaufmann wieder da sein würde, und ließ sich noch zehntausend Piaster Gerichtsgebühren zahlen.
    Kandiden hatte zwar schon unendlich härters, niederdrückenderes Ungemach betroffen, dennoch aber erlag er unter diesem. Die Kaltblütigkeit des Richters und des Schiffspatrons, der ihn so schrecklich geprellt hatte, machte alle seine Galle rege und stürzte ihn in die düsterste Schwermut. Jetzt erblickte er die Argherzigkeit der Menschen in ihrer ganzen scheußlichen Gestalt; alles zeigte sich ihm in dunklem, höllenschwarzem Lichte. Endlich erfuhr er, daß ein französisches Schiff im Begriff stände, nach Bordeaux zu segeln. Da er keine Hammel mit Diamanten bepackt mehr mitzunehmen hatte, mietete er sich ein wohlfeiles Kämmerchen im Schiff und ließ in der Stadt bekanntmachen, wenn sich ein braver Mann fände, der mit wollte, so sollte er nicht für Reisekosten und Zehrung zu sorgen haben und überdies zweitausend Piaster bekommen; dieser Mann aber müßte seines Zustandes äußerst überdrüssig sein und der allerunglücklichste im ganzen Lande.
    Es kam der Prätendenten eine solche Menge, daß eine ganze Flotte nicht Raum für sie gehabt hätte. Kandide suchte die Angesehnsten darunter aus; das waren ein Stück zwanzig, bei denen unter den Falten und Runzeln des Elends Züge von Geselligkeit hervorblickten, und die insgesamt den Vorzug zu verdienen behaupteten.
    Sie mußten sich alle in seinem Wirtshause einfinden und mit ihm Abendbrot nehmen. Jeder hatte ihm zuschwören müssen, seinen Lebenslauf treu und sonder Gefährde zu erzählen, und er hatte dagegen versprochen, denjenigen von ihnen zu wählen, der ihm der bedauernswürdigste, der mit größtem Fug und Recht über seinen Zustand mißvergnügteste scheinen würde; die übrigen aber sollten eine Erkenntlichkeit erhalten.
    Die Sitzung dauerte bis vier Uhr morgens. Bei jeder Erzählung fiel Kandiden ein, was die Alte ihm auf der Fahrt nach Buenos Aires gesagt hatte, und ihre Wette, daß sich niemand auf dem Schiffe befände, dem nicht schon das größte Ungemach zugestoßen wäre; auch Panglos fiel ihm

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