Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kandide oder die beste aller Welten

Kandide oder die beste aller Welten

Titel: Kandide oder die beste aller Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
Vom Netzwerk:
zu genießen, um das Sie jedermann beneiden muß; die blühendste Gesundheit lacht aus Ihrem Gesicht, Sonnenschein sitzt über Ihren Augbrauen und verkündigt, wie vollglücklich Sie sind, Sie haben das niedlichste Mädchen zum Zeitvertreib und scheinen mit Ihrem Theatinerstand höchst vergnügt.
    Ich wollte, alle Theatiner hätten einen Mühlstein am Hals und lägen im Meere, wo's am tiefsten ist, sagte Bruder Viola. Ich bin wohl schon hundertmal willens gewesen, das Kloster anzustecken und hinzugehn, und ein Türk zu werden. In meinem fünfzehnten Jahre mußt' ich nolens volens die verwünschte Jacke anziehn, damit mein ältrer Bruder — Gott und alle Heiligen verdammen ihn, den prassenden, putenjunkerschen Buben! — recht à son aise schwelgen kann. Ich wurd' in ein Kloster gebannt, das man gemeiniglich für einen Wohnsitz der religiösesten Ruhe hält; und das beim Lichte besehn weiter nichts ist als der Tummelplatz der Eifersucht, der Zwietracht und des Ingrimms.
    's ist wahr, ich habe mir manchmal mit einem jämmerlichen Schnickschnack ein'ge Batzen in die Tasche gepredigt. Aber was hat's geholfen? Die Hälfte davon stiehlt mir der Prior weg und um's übrige bringen mich die Menschen. Wenn ich des Abends ins Kloster komme, bin ich so fuchswild, daß ich gleich den Kopf gegen die Wand rennen möchte, und all' meinen Brüdern in Paulo geht's nicht ein Haar besser.
    Nun hab' ich nicht die Wette ganz gewonnen, sagte Martin, indem er sich mit seiner gewöhnlichen Kaltblütigkeit gegen Kandiden wandte? Kandide gab Gertruden zweitausend Piaster und Bruder Viola'n tausend. Nun werden sie glücklich sein, sagte er, dafür haft' ich. Ich wahrlich nicht! versetzte Martin. Vielleicht machen Sie sie dadurch noch unglücklicher. Mag's ausfallen, wie's will! sagte Kandide. Ich tröste mich jetzt damit, daß ich sehe, wie man oft Leute wiederfindet, die man nie wiederzufinden verhofft hat; da ich meinen roten Hammel und Gertruden wiedergefunden habe, so kann sich's wohl noch fügen, daß ich Kunegunden wieder antreffe.
    Martin. Ich wünsch' es von Herzen, daß selbige Sie dereinst glücklich machen möge; zweifle aber noch sehr daran.
    Kandide. Hartherziger Mann.
    Martin. Was gar nicht zu verwundern. Ich habe lang' in der Welt gelebt.
    Kandide. Sehn Sie einmal jene Gondelführer an. Singen sie nicht mit dem frohsten Herzen vom frühen Morgen an bis zum dämmernden Abend.
    Martin. Werfen Sie einmal einen Blick in ihre vier Pfähle! Da werden Sie sehn, wie sie schmollen bei ihren Weibern und ihren Wechselbälgen von Kindern; Sie werden finden, daß Sorg' und Verdruß sowohl unterm Schindeldache des Gondelführers wohnt als unterm Palaste des Dogen. Recht beim Lichte besehn ist der Gondelführer immer glücklicher als der Doge. Doch die Waage zur Hand zu nehmen und abzuwägen, um wieviel, lohnt wahrlich! der Mühe nicht. Es ist, glaub' ich, ein so winzig Teilchen mehr, daß eine Mücke es auf dem Schwanze über den Rhein führen kann.
    Kandide. Ich habe mir sagen lassen, der Senator Pococurante, der dort in dem schönen Palaste auf der Brenta wohnt und jeden Fremden so freundschaftlich empfängt, soll der glücklichste Mann auf Gottes Erdboden sein; noch nie soll ihn ein Quentchen Unmut gedrückt haben.
    Martin. Das Wundergeschöpf möcht' ich wohl sehn. Sogleich schickte Kandide zum Signor Pococurante und ließ um die Erlaubnis bitten, ihm morgen aufwarten zu dürfen.

Fünfundzwanzigstes Kapitel: Besuch beim Signor Pocourante, Nobile di Venezia
    Kandide und Martin setzten auf einer Gondel über die Brenta und kamen im Palaste des Nobile Pococurante an. Die Gärten waren sehr umfänglich und mit trefflichen marmornen Bildsäulen ausgeschmückt, der Palast im schönsten neusten Geschmack erbaut. Der Herr vom Hause, ein Sechziger und steinreich, nahm unsre beiden Neugierigen mit ungemeiner Höflichkeit auf; aber mit wahrer hofmännischer Kälte, was Kandiden nicht wenig stutzig machte, Martinen aber gar nicht mißbehagte.
    Sogleich trugen zwei niedliche, wohlgekleidete Mädchen Schokolat' auf, die sie zum perlendsten Schaum zerquirleten. Kandide konnte nicht umhin, sie wegen ihrer Schönheit, wegen ihres Anstandes und wegen ihrer Gewandtheit zu loben.
    Sind so ziemlich gute Krabben! sagte Senator Pococurante. Manchmal nehm' ich sie mit ins Bette. Denn Eure Stadtdamen bin ich überdrüssig; ich kann ihre Kokettereien, Eifersüchteleien, Kritteleien, Launen, Aufblasereien und Albereien unmöglich aushalten, und ihre ewige

Weitere Kostenlose Bücher