Kane
zu nennen. ,,Dort oben auf dem Dach, als er mir den Arm brach, hatte ich so eine Art - Flashback . Der Schmerz erinnerte mich daran, wie sehr ich unter den Demütigungen meiner Eltern, und besonders unter denen von Black gelitten habe. All die Nächte, in denen ich mich in den Schlaf weinte und nicht einmal wirklich wusste warum. Aber jetzt weiß ich es wieder. In der Nacht, zwei Tage nachdem ich meine Flügel erhalten hatte, kam Black in mein Zimmer. Ich schlief tief und fest, als er mir plötzlich sein Knie in den Rücken rammte.
Jemand anders - ich nehme an, es war Susan - spritzte mir etwas in meinen Hals. Ich wehrte mich mit aller Kraft, doch er hielt mich fest umklammert und so brachen meine Flügel aus mir heraus. Black nutzte die Gelegenheit und stutzte mit einer Zange meine Federn. Ich schrie vor Schmerz, als die scharfen Klingen der Zange durch mein Fleisch schnitten. Doch dann wirkte die Betäubung und ich fiel in einen tiefen Schlaf, ohne Schmerzen und ohne Erinnerungen.
Einige Tage später, versuchte ich zu fliegen. Es klappte nicht, egal wie sehr ich mich anstrengte, nicht einen Zentimeter konnte ich vom Boden abheben. Doch ich hatte keinerlei Erklärung dafür und schon gar nicht, brachte ich meine Eltern damit in Zusammenhang.
Aber gestern sah ich alles wieder vor mir. So klar, als wäre es eben erst passiert. Das alles hat mir gezeigt, dass ich nicht zulassen kann, dass er jemals Jemandem wieder so etwas antun darf. Und schon gar nicht dir... wir müssen ihn stoppen Kane. Und zwar für immer!"
Kane musterte sie mitfühlend. Auch er hatte lange Zeit gebraucht, das Erlebte zu verarbeiten und doch war er nie ganz über alles hinweg gekommen. Er wusste, dass auch sie noch lange dafür brauchen würde. Zumal bei ihr das Geschehene, nur in Bruchstücken zurück kam. Er nahm ihre Hand und zog sie auf den freien Platz des Gartens.
Der Rasen war immer noch grün und an manchen Stellen Moos durchsetzt, sodass es unter seinen schweren Stiefeln nach federte und die Feuchtigkeit unter Emma's und seinen Schuhen schmatzte. Kane legte einen Arm um ihre Taille, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen. Dann breitete er seine Flügel aus und erhob sich, mit nur einem geschmeidigen Flügelstoß, gemeinsam mit ihr in die Luft.
,,Wow!“, entfuhr es ihrem Mund. Sie war zwar jetzt schon öfter in seinen Armen geflogen, doch dieses Mal fühlte es sich völlig anders an. Bewusst nahm sie wahr, wie die Dinge am Boden immer kleiner und kleiner wurden und wie gut sich sein kräftiger Arm um ihren Körper anfühlte. Mit einem Schlag wurde ihr klar, dass es noch nicht dunkel war und sich unter ihnen, der ein oder andere Mensch, seinen täglichen Aufgaben widmete. Es brauchte ja nur mal einer zu ihnen hoch zu sehen und noch waren sie nicht hoch genug, dass jemand denken könnte, sie beide wären nur ein fetter Vogel. Kane ahnte schon was sie dachte, er legte seinen Finger unter ihr Kinn, um ihr in die Augen zu sehen. ,,Alles in Ordnung mein Engel. Ich habe uns durch meine Energie getarnt. Niemand kann uns sehen oder hören. Wir sind also ganz unter uns. Hast du einen speziellen Wunsch, irgendeinen Ort, wo du schon immer einmal sein wolltest?“
,,Du machst Witze, oder?“, brach es erstaunt aus ihr heraus.
,,Nein. Eigentlich wollte ich dich beeindrucken und dir die Welt zu Füssen legen. Zumindest so etwas in der Art.“
Fassungslos sah sie in seine sturmgrauen Augen. ,,Du meinst, wir könnten mal eben nach Südengland an die Küste? Ich meine ans Meer?“
Er schüttelte amüsiert mit dem Kopf. ,,Ich dachte da eher an die Christusstatue in Rio, oder die Spitze des Himalaja, Wasserfälle in Jamaica oder Neuseeland?... Aber wenn es unbedingt die Küste sein soll, auch gut.“
Sie erforschte seinen Blick und kam zu dem Schluss, dass er es tatsächlich ernst meinte. Tausend Orte fuhren ihr durch den Kopf. Orte, die sie im Fernsehen gesehen und dann im Internet erforscht hatte. Immer mit dem Gedanken, dass sie diese niemals selber besuchen würde. Als sie bemerkte, wie er plötzlich die Muskeln seiner Flügel anspannte.
,,Ägypten! Ich wollte schon immer nach Ägypten!“, stieß sie atemlos hervor.
Jetzt lächelte er breit. ,,Dann also Ägypten! Zu ihren Diensten, Mam!“
Wieder spannte er seine Flügel an, umfasste sie noch stärker und mit nur wenigen Stößen seiner Schwingen, traten sie ein in eine Art von Wurmloch. Emma presste es fast die gesamte Luft aus ihren Lungen, so sehr, dass sie keuchte. Ein Strudel aus Luft
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