Kane
mit beiden Händen. Er hatte so schnell eine komplette Luftrolle vollzogen, dass Emma es gar nicht mitbekommen hatte. Nun, da ihr Herzschlag sich wieder etwas beruhigte und sie ihren Atem wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte, konnte sie die Wahrheit deutlich in seinen Augen lesen. Kane würde sie niemals im Stich lassen, sie immer beschützen und ihr die Welt zu Füßen legen. Trotzdem fand sie, hatte sie jedes Recht zu schmollen.
,,Aber musstest du mich einfach fallen lassen, ohne jede Vorwarnung?“ Sie fühlte zu ihrer Verwunderung keinerlei Verärgerung gegen Kane. Sie war schon in dem Moment verzaubert, als er ihr erklärte, dass er die ganze Zeit bei ihr war und die Situation unter Kontrolle hatte, mal abgesehen von den unbeschreiblichen Gefühlen, die sie allein ihm verdankte. Erst die unglaubliche Nacht auf dem Anwesen und jetzt auch noch dies hier. Hätte er sie vorher gefragt, ob sie allein fliegen würde, hätte sie eindeutig mit ,,Nein“ geantwortet und diesen unglaublichen Flug niemals erlebt, zumindest noch nicht!
Er drückte ihr einen kleinen Kuss auf die Lippen, drehte sich noch einmal um die eigene Achse und war wieder an ihrer Seite. ,,Du bist ein Vollblutengel Emma. Niemand muss dir das Fliegen beibringen, es ist wie Atmen oder Schlafen für uns. Aus diesem Grund ist es wohl auch die größte Sünde, einem Engel die Flügel zu stutzen. Ich wollte, dass du gar nicht erst darüber nachdenkst, sondern es einfach tust. Ich hoffe also, dass es keine Abzüge für mich in der B-Note gibt.“
Statt einer Antwort bekam er nur ein schelmisches Lächeln von ihr, bevor sie sich mit einem kräftigen Stoß ihrer Schwingen von ihm entfernte. ,,Versuch doch, es herauszufinden! Wenn du kannst“, rief sie ihm noch zu, während sie einen großen Abstand zwischen sie beide brachte. Emma versuchte eine leichte Drehung, die ihr mehr schlecht als recht gelang und sie wieder etwas ins Taumeln brachte. Sofort war Kane wieder an ihrer Seite und nahm ihre Hand in seine, um sie zu stabilisieren. Erleichtert nahm sie seine Hilfe an. Fliegen war wohl doch nicht so leicht wie Atmen.
,,Komm du Superengel. Es wird Zeit für dein nächstes Abenteuer.“ Er ließ ihr Zeit, sich an die Luftströmungen zu gewöhnen und erklärte, wie man sich durch bloße Körperenergie am Tage, gegen die Blicke der Menschen tarnen konnte. Kane war ein guter Lehrer, geduldig und einfühlsam, ließ er sie wieder und wieder Rollen drehen und - als sie die Sache mit der Tarnung beherrschte – im Sturzflug Richtung Wüste brausen, um dann wieder im Gleitflug an Höhe zu gewinnen. Das Gefühl mit den Winden zu gleiten, war einfach unbeschreiblich. All die Jahre, hatte sie etwas vermisst und nicht einmal gewusst was es war, oder was sie wirklich verpasste. Doch nun war sie vollständig und das hatte sie einzig diesem Mann an ihrer Seite zu verdanken. Diesem Nephilim-Wächter, den sie liebte und brauchte, seit sie ihn das erste Mal in ihren Träumen gesehen hatte. Ja, sie liebte ihren Sturm und würde alles dafür tun, dass auch er sie lieben und brauchen würde.
Kapitel 23
Vor einer alten, ausgedienten Lagerhalle, materialisierte sich Samaél und drückte sich sogleich an die rostige Metallwand des Gebäudes. Nur schemenhaft flossen die Partikel, der längst kalt gewordenen Spur, durch seine Synapsen und doch war er sich sicher, dass Nandini sich hier irgendwo befand. Wieder einmal wurde ihm schmerzlich bewusst, dass er noch nicht mit ihr verbunden war. Nicht einmal er selbst konnte sagen, wie viel Zeit ihnen noch blieb. Er konnte sich nicht erinnern, dass so etwas jemals in seinem Volk vorgekommen wäre. Denn zu seinen Lebzeiten wurde noch nie eine Gefährtin über so lange Zeit entführt und schon gar keine, die innerhalb der Entführung ihre Bindungsreife erreichte. Wieder quälte ihn das Gefühl, dass er schneller hätte handeln oder mehr hätte tun müssen. Wieder spielte er die letzten einhundert Jahre, nach der Entführungswelle, vor seinem geistigen Auge ab, um Fehler zu finden wo keine waren. Aber wenn er, der große Sucher, sie nicht finden und retten könnte, wer sollte es dann tun? Doch selbst wenn er es schaffen würde, wäre wahrscheinlich nicht mehr genug Zeit für das Ritual. Er würde Nandini nicht zwingen, ihn zu akzeptieren um die Vereinigung durchzuführen, so wie es die alten Gesetze vorsahen. Schließlich lebten sie nicht mehr in der Steinzeit, wo Mann die Frau einfach unter sich zwang! Er konnte nur hoffen, dass die
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