Kane
erwartungsvoll auf ihn gerichtet.
Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und schüttelte seinen Kopf. ,,Es tut mir so leid Emma. Soweit ich weiß, sind sie an dem Tag als du entführt wurdest, getötet worden."
Sie wirkte sehr gefasst, als hätte sie die Antwort schon erwartet. Wortlos nickte sie ihm zu und strich ihm zärtlich eine Sorgenfalte von der Stirn, dann zog sie die Decke von ihrem Körper und stand vom Bett auf. ,,Ich möchte hier raus. Irgendwohin, wo etwas los ist. Einen Kaffee oder ein Bier trinken. Genau. Ich habe noch nie ein Bier getrunken. Das sagt man doch so? Oder nicht?."
Trotz dass er ihre Reaktion nicht verstehen konnte, und es nicht gerade ungefährlich war, mitten in der Nacht in eine Bar in London zu gehen - jetzt wo sämtliche Unseelie nach ihnen Ausschau hielten - wollte er ihr diese, wie er fand, sehr amüsant vorgetragene Bitte, einfach nicht abschlagen. Wenn es das war, was ihr half mit ihrer Situation besser klarzukommen, würde er ihr eine abwechslungsreiche Nacht bereiten. ,,Okay. Ethan und die anderen werden uns zwar den Kopf abreißen, aber das nehme ich in kauf. Also dann, zieh dich an, wir sehen uns in zehn Minuten."
Kurze Zeit später landeten sie in der Nähe vom Piccadilly Circus. Mittlerweile war es nachts schon richtig kalt und der leichte Ostwind trieb die Feuchtigkeit der Novemberluft direkt unter die Kleidung. Kane war froh, dass er Emma hatte überreden können, Vivian´s langen, schwarzen Mantel, ihren Schal und die Mütze anzuziehen. Nephilim hatten zwar eine höhere Körpertemperatur als Menschen, aber bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, war es mit warmen Sachen einfach angenehmer und weniger auffällig. Kane zog seine Flügel wieder ein und nahm ihre Hand in seine, bevor sie die menschenleere Seitenstraße verließen. ,,Wo möchtest du als erstes hin? Die Auswahl ist um diese Zeit, mitten in der Woche, nicht sehr groß."
,,Vielleicht könnten wir ja erst einmal einen Kaffee trinken. Ich bin es nicht so gewohnt zu fliegen und meine Knie sind ziemlich wackelig." Sie wies mit der Hand auf ihre zitternden Beine. Der Flug mit Kane war wunderschön gewesen.
Die Stadt war aus der Vogelperspektive einfach faszinierend und heute, in einer sternenklaren Nacht, war alles deutlich zu erkennen. Es stimmte sie etwas traurig, dass sie wahrscheinlich nie selbst fliegen können würde. Ihre Flügel waren zwar wunderschön aber nutzlos.
Kane drückte ihre Hand, als er ihr trauriges Gesicht bemerkte. ,,Kaffee, ist eine super Idee! Ich kenne nicht weit von hier, ein kleines Frühstückslokal. Edith macht den besten Latte macchiato der Stadt und sie haben rund um die Uhr auf."
,,Das hört sich doch gut an. Von mir aus können wir."
,,Bist du schon mal Underground gefahren?" Er sah sie mit schief gelegtem Kopf erwartungsvoll an.
,,Ich wäre beinahe mal als blinder Passagier im Zug gefahren. Doch ich schaffte es nur bis zum Eingang des Bahnhof's bevor Danel und Susan mich wieder eingefangen hatten."
Kane runzelte die Stirn. ,,Du hast versucht, deinem Gefängnis zu entfliehen, das war sehr mutig von dir."
Er wusste aus eigener Erfahrung, dass Danel Black ein knallharter Gefängniswärter sein konnte.
Aber Gott sei Dank war sie, im Vergleich zu ihm, nicht angekettet gewesen.
,,Ja. Manchmal konnte ich die Isolation und die Bestrafungen einfach nicht mehr ertragen. Mehrere Male versuchte ich heimlich abzuhauen. Meistens kurz nachdem wir wieder mal umgezogen sind. Danel und Susan waren dann oft weg, um verschiedene Sachen zu regeln und ließen mich unterdessen zu Hause allein. Sie ahnten nicht, dass ich Türen öffnen konnte, auch wenn sie verschlossen waren." Unsicher lächelte sie Kane an, als hätte sie etwas Unrechtes getan.
Seine Bewunderung für sie, stieg von Minute zu Minute. ,,Er hat dich bestraft? Wie?" Wieder kehrte sein alter Hass auf Danel Black mit aller Gewalt zurück. Das er selbst gequält wurde, war eine Sache. Aber Emma? Dieses reine zerbrechliche Wesen?!
Ihre Wangen wurden knallrot und sie blickte verlegen auf ihre Füße. Sie wusste selbst nicht, warum sie bei ihm immer das Bedürfnis verspürte, sich mitzuteilen. Doch das, was Danel ihr angetan hatte, konnte und wollte sie ihm nicht erzählen. Sie schämte sich dafür bis auf´s Mark. ,,Er... er sperrte mich wieder ein. Ab und zu schlug er mich, ich bekam ein bis zwei Tage nichts zu essen und niemand durfte mit mir sprechen. Auch Susan nicht. Ich fand erst Jahre später heraus, dass sie ihn in allem was er
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