Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
die Demo am Marienplatz fertig?« Herr Rosendaal steckt den Kopf durch meine Bürotür herein.
»Liegt in fünf Minuten auf Ihrem Schreibtisch«, antworte ich und betätige den Drucken-Button auf dem Bildschirm vor mir.
»Prima.« Mein neuer Chef strahlt. »Lust auf einen Kaffee, bevor Sie in Ihren wohlverdienten Feierabend starten?«
»Ähm … nein danke, momentan nicht.« Herrn Rosendaals Kaffeekochqualitäten haben sich nämlich seit meiner ersten Kostprobe leider nicht verbessert, und ich trinke Kaffee nur noch, wenn ich persönlich oder meine Kollegin vom Kulturteil ihn gemacht haben. Den Kaffeekochkünsten der anderen Mitarbeiter stehe ich noch ein wenig skeptisch gegenüber – und das ist in diesem Haus auch überlebensnotwendig, will man nicht innerlich geteert werden oder einen Koffeinschock erleiden.
Der Chefredakteur grinst wissend. »Kann ich gar nicht verstehen … Na gut, dann wünsche ich Ihnen einen schönen Abend und bis morgen!«
»Wünsche ich Ihnen auch! Grüßen Sie Sonja von mir. Und morgen lege ich Ihnen meine Interviewfragen für das Treffen mit Rick Kavanian am Dienstag vor, ob die so in Ordnung sind.«
Er nickt, winkt mir zu und ist auch schon verschwunden. Und ich ziehe meinen fertigen Artikel aus dem Ausgabefach meines Druckers, überfliege ihn schnell und fahre dann meinen Computer hinunter.
Die Tür fliegt auf und Christina, ebenfalls Volontärin bei München Aktuell, kommt ins Zimmer gestürmt. Christina rennt irgendwie immer. Ich glaube, ich habe sie noch nie in normaler Schrittgeschwindigkeit und mit gemäßigtem Puls erlebt. Entweder sie ist hyperaktiv (was für einen Journalisten prinzipiell nie verkehrt ist) oder einfach Opfer des hiesigen Kaffees. »Vicky, du solltest jetzt auch Feierabend machen!«
»Ja, ich gönn mir gleich noch den letzten Rest Sonne und ein kühles Radler im Augustiner.« Wir sehen beide gleichzeitig sehnsüchtig aus dem Fenster, vor dem die heiße Sommersonne auf München herabbrennt und die Luft flimmern lässt. »Willst du mitkommen?«, frage ich sie.
»Ja, das wäre schön. Bei so einem Wetter kann man eigentlich gar nicht besser in den Feierabend starten. Aber ich glaube, du bist heute Abend schon anderweitig vergeben.«
»Ach ja?« Überrascht sehe ich Christina an – sie grinst von einem Ohr zum anderen. »Wie meinst du das?«
»Als ich gerade im Archiv war, habe ich gesehen, dass dein Freund draußen auf dem Parkplatz steht und auf jemanden wartet. Und ich könnte mir gut vorstellen, dass du diejenige bist, die er abholen will.« Sie zwinkert mir zu.
»Oh, ich hab gar nicht gewusst, dass er mich heute abholt!« Ob ich will oder nicht, in Sekundenschnelle breitet sich ein Strahlen auf meinem Gesicht aus, und plötzlich fühle ich mich genauso ruhelos wie Christina, nur dass ich den Grund dafür bei mir genau kenne – und der steht unten und wartet auf mich. »Ich muss das hier noch schnell dem Chef auf den Schreibtisch legen, dann gehe ich.«
»Dann viel Spaß euch beiden. Und erzähl mir morgen alles!«
»Werd ich machen. Schönen Feierabend.« Und schon trabe ich den Flur hinunter zur Chefredaktion. Ich klopfe an, aber wie erwartet ist das Zimmer bereits leer, denn Herr Rosendaal hat noch einen Termin beim Bürgermeister. Also lege ich meinen Artikel wie versprochen auf seinen Schreibtisch, laufe den langen Flur zurück und springe dann die Treppen zum Foyer hinunter. Dort angekommen verlangsame ich meine Geschwindigkeit, zupfe mir meine Klamotten zurecht, streiche mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, räuspere mich und trete dann betont gelassen auf die Tür zu.
»Schönen Feierabend, Frau Schäfer!«, ruft mir unsere Empfangsdame Frau Hase zu, die ich inzwischen sehr ins Herz geschlossen habe. »Sie haben es aber heute eilig, nach Hause zu kommen!?«
»Ach, ich will einfach noch was von dem guten Wetter abbekommen, bevor die Sonne wieder weg ist.« Unruhig trete ich von einem Fuß auf den anderen und linse an einem Benjamini vorbei durch eines der Fenster in Richtung Parkplatz.
»Ach so? Und ich dachte schon, es hätte etwas mit dem attraktiven jungen Mann zu tun, der da draußen auf Sie wartet …« Als ich meinen Blick vom Fenster abwende, grinst mich die Empfangsdame vielsagend an.
»Bis morgen, Frau Hase«, sage ich nur und grinse genauso vielsagend zurück.
Als ich durch die Tür nach draußen auf den Parkplatz trete, klopft mein Herz wie ein Presslufthammer gegen meine Rippen. O Mann, er ist doch nicht erst seit
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