Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
gestern mein fester Freund! Ich aber fühle mich gerade wie beim ersten Date!
Nervös blinzle ich gegen die Sonne und halte Ausschau nach ihm. Da ist er! Okay, okay, atmen nicht vergessen! Und vielleicht endlich mal aufhören, ihn so verliebt anzustrahlen! Bin ja kein Teenager mehr. Ach, sieht er nicht gut aus? Wie er da mit verschränkten Armen am Auto lehnt, eine Sonnenbrille auf der Nase, mit zerzausten Haaren und dunklen Bartstoppeln? Und oh, er strahlt mich ja genauso an wie ich ihn! Ob er auch gerade dieses Wahnsinnsglücksgefühl hat? Und er hat sogar Caruso abgeholt, der jetzt neben ihm sitzt und mir schwanzwedelnd entgegenblickt.
»Hallo, Kleiner. Schön, dass du mich heute von der Arbeit abholst!«, begrüße ich meinen Hund und drücke ihm einen Schmatzer auf die kalte schwarze Nase.
»Ach, und was ist mit mir?«, fragt eine tiefe männliche Stimme dicht neben mir amüsiert, und ich sehe auf.
»Hey«, begrüße ich ihn und schlinge meine Arme um seinen Hals. »Danke, dass du Caruso begleitet hast, um mich von der Arbeit abzuholen.«
»Gern geschehen.« Er grinst und schiebt seine Sonnenbrille hoch. Wider Willen versinke ich in einem Paar funkelnder Augen und lasse mich eng an ihn ziehen, schmiege mein Gesicht in seine Halsbeuge und atme tief ein. Mmmh, einfach der perfekte Duft: Motoröl, Duschgel und karamellisierte Erdnüsse. Ein Traum!
Das hier war mein ganzes Gefühlschaos, all die Verwirrung und die schlaflosen Nächte der letzten Wochen absolut wert! Ich erinnere mich an diesen schmerzhaften inneren Kampf, die Unsicherheit, nicht zu wissen, ob man besser auf sein Herz oder auf die Vernunft hören sollte. Ich erinnere mich an das Gefühl in Severins Armen, das plötzlich einfach nicht mehr das Gleiche war wie vorher und wahrscheinlich ohnehin immer nur eine Ersatzbefriedigung gewesen war. Ich weiß noch genau, wie ich eines Abends in Severins Augen gesehen habe und mir plötzlich schlagartig klar wurde, dass ich da etwas tat, was nicht fair war. Und dass ich ihn damit mehr verletzte, als wenn ich ihn verlassen würde. Ich hatte ihm daraufhin alles erklärt oder es zumindest versucht, die meiste Zeit herumgestottert und mich einfach nur unheimlich schlecht gefühlt. Doch Severin hat mich einfach nur schweigend angesehen, mir nach meinem Bericht einen Kuss auf die Stirn gegeben, sich seinen Helm aufgesetzt und war mit seinem Motorrad davongefahren. Weg von mir, hinaus aus meinem Leben, nicht jedoch ohne sehr schöne Erinnerungen zu hinterlassen, für die ich ihm auch jetzt noch sehr dankbar bin. Und ja, vielleicht wäre mir ohne ihn nie klar geworden, dass ich einfach zu Jan gehöre und dass Vernunft in der Liebe einfach fehl am Platze ist.
»Komm, lass uns heimfahren«, schlägt Jan in diesem Moment vor und reißt mich aus meinen Gedanken. »Stefan und Andy haben schon den Grill angeschmissen.«
»Oh prima!«, freue ich mich und steige ins Auto. Und dann verlassen wir den Parkplatz meiner neuen Arbeit, mit der ich sehr glücklich bin. Und ich sitze neben meinem Freund, mit dem ich sehr, sehr, sehr glücklich bin. Meinem Jan. Genauso, wie ich es mir damals an meinem Geburtstag schon gewünscht hatte.
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