Kann es wirklich Liebe sein
da sie befürchtete, Travis könnte sonst etwas erahnen. „Ich bin hier gleich fertig. Du und die anderen, ihr könnt euch Sandwiches und Rührei mitnehmen, damit ihr keinen Hunger bekommt.“
Er sagte nichts, doch sie hörte, dass er sich ihr näherte.
„Es tut mir leid, dass ich sie nicht schon vorher fertig hatte. Jetzt musste Jim hungrig losreiten.“
Starke Hände legten sich auf ihre Schultern. „Das ist nicht so schlimm.“
Die Berührung fühlte sich gut an. Zu gut. Sie befreite sich von ihm, indem sie zur Seite trat und die Eier neben dem Herd abstellte. Mit gesenktem Kopf belegte sie die Brote und versuchte, die Gegenwart ihres Ehemannes zu ignorieren. Was natürlich völlig unmöglich war. Sie hatte sich noch nie in ihrem Leben so zu jemandem hingezogen gefühlt.
„Meri, hör auf.“
Sie hielt inne, als sie gerade eine Serviette um das dritte und letzte Sandwich wickeln wollte. „Sieh mich an, Schatz.“
Langsam drehte sie sich um. In seinen braunen Augen las sie Gefühle, die ihr Herz schneller schlagen ließen.
„Ich schwöre dir, Meri – sobald Jim gesehen hat, dass Cassie wirklich bei Mitchell ist, reiten wir los. Wir werden sie ihm auf keinen Fall überlassen.“
Er meinte es ernst. Das konnte sie ihm ansehen, es in seiner Stimme hören. Aber eine andere Stimme erklang ebenfalls in ihrem Ohr. Eine Stimme, die die Frage stellte, was mit Cassie passieren würde, wenn Jim nicht zurückkehren konnte. Wie lange würde Travis dann warten, bis er das Signal gab, loszureiten?
Tränen brannten in ihren Augen. Sie wollte ihren Ehemann nicht hintergehen. Wirklich nicht. Das könnte das Vertrauen zerstören, das sich zwischen ihnen aufgebaut hatte, die Chance auf eine echte, tiefe Liebe. Aber sie hatte keine andere Wahl. Sie konnte nicht nutzlos hier herumsitzen, wenn ihre genaue Kenntnis des Grundstückes den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage bedeuten konnte.
In dem verzweifelten Versuch, das Glück festzuhalten, das ihr zu entgleiten drohte, legte sie ihre Hände um das Gesicht ihres Ehemannes und küsste ihn mit der ganzen Liebe, die sie seit ihrem zehnten Lebensjahr für ihn empfunden hatte. Travis brauchte nur einen kurzen Moment, um sich von seinem Schock zu erholen und den Kuss mit der gleichen Leidenschaft zu erwidern. Doch als er seine Arme um sie legen wollte, zwang sie sich dazu, sich von ihm zu lösen.
„Hier“, sagte sie und drückte ihm schnell die Sandwiches in die Hand. „Sorg dafür, dass deine Brüder etwas essen.“
Dann, bevor er etwas sagen konnte, schlüpfte sie um ihn herum und rannte den Flur entlang und in ihr Zimmer. Schnell schlug sie die Tür hinter sich zu, ließ sich gegen die Wand sinken und wischte sich eine entflohene Träne von der Wange, während sie darauf wartete, Travis’ Schritte zu hören.
Sie kamen tatsächlich den Flur entlang und blieben vor ihrer Zimmertür stehen. Geh einfach, Travis. Bitte.
Nach einem unendlich lang erscheinenden Moment entfernten sich die Schritte endlich und erklangen dann draußen auf der Veranda. Seine tiefe Stimme erscholl im Hof, als er nach Neill und Crockett rief.
Reue nagte an ihr und fast hätte sie es sich anders überlegt. Doch dann trat ihr ein Bild von Jim vor Augen – Jim, der vom Pferd fiel und wie tot liegen blieb. Sie riss die Augen auf und schnappte erschrocken nach Luft. Er war genauso in Gefahr wie Cassie, wenn er alleine in die Höhle des Löwen ritt. Sie war vielleicht nicht dazu in der Lage, die Kavallerie zu mobilisieren, aber sie würde ihn trotzdem so gut wie möglich unterstützen.
Sie würde ihm den Rücken freihalten.
Meredith schnappte sich ihren Mantel und trat ans Fenster. Herr, beschütze Jim, bis ich ihn finde. Lenke meine Schritte und schenk mir Mut, damit ich tun kann, was zu tun ist. Sei bei Cassie … Sie hielt inne und schob den Vorhang beiseite, um hinausschauen zu können. Und hilf Travis, mir zu vergeben.
Sie ließ die Gardine los und drehte sich um. Bevor sie allerdings den Raum verließ, nahm sie sich ein Blatt aus der obersten Schublade von Travis’ Kommode und schrieb einige Worte nieder, die ihr Herz ihr eingab. Dann schnappte sie sich ein Schultertuch und huschte durch die Hintertür hinaus.
Als sie im Wald war, schlug sie den Weg in Richtung Fluss ein, ohne einen einzigen Blick zurückzuwerfen. Reue war ein Luxus, den sie sich momentan nicht leisten konnte.
Kapitel 36
Der alte Pfad war immer noch genauso, wie Meredith ihn in Erinnerung hatte. Sie lenkte Ginger
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