Kann es wirklich Liebe sein
Stellen an seinem Hals.
Das Brathähnchen verschwand aus Merediths Vorstellung.
„Bin ich.“ Sie zwang sich wieder dazu, ihm in die Augen zu sehen, und wartete, bis auch er sie ansah. „Wenn dein Angebot immer noch steht … würde ich es gerne annehmen, Travis.“
Sie bemerkte, wie er innerlich aufatmete, obwohl er keinen Laut hervorbrachte und sich auch nicht bewegte. Und wenn sie seine Reaktion auch niemals als überschwänglich beschrieben hätte, so umspielte doch ein Lächeln seine Lippen und um die Augen herum entstanden kleine Lachfältchen, was sie als positive Rückmeldung auffasste.
„Gut.“ Er nickte einmal und bedeutete ihr, ihm in die Küche zu folgen. „Jim hat ein paar Eier für dich aufgehoben, und wenn du schneller bist als Neill, bekommst du vielleicht auch noch ein bisschen Speck. Ich ziehe mir etwas Vernünftiges an, während du isst.“ Travis zeigte in Richtung ihres Zimmers und ging hinein.
Nun, eigentlich war es ja sein Zimmer. Doch da sie in den letzten Tagen so viel Zeit dort verbracht hatte, fühlte es sich an wie ihres. Meredith durchquerte die Küche und nahm den leeren Teller, den man für sie auf dem Tisch hatte stehen lassen. Als sie sich gerade Rührei aus der Pfanne nehmen wollte, traf sie ein neuer Gedanke.
Heute Nacht würde es ihr gemeinsames Zimmer sein.
Meredith blinzelte und versuchte sich selbst daran zu erinnern, dass sie atmen musste, während sie sich wie im Schlaf die Eier und den Rest des gebratenen Specks nahm. Irgendwie gelangte auch Kaffee in ihre Tasse und sie selbst an den Esstisch, obwohl sie nicht wusste, wie sie diese Aufgaben gemeistert hatte. Als sie den Kopf beugte, um zu beten, war Dankbarkeit für das Essen nicht das, was sie beschäftigte.
Herr, ich bin nicht sicher, ob ich dazu bereit bin, eine Ehefrau zu sein. Ich dachte, ich wäre auf alles gefasst, dachte, dass meine Zuneigung zu Travis alles einfacher machen würde. Aber wenn ich diese Tagträumereien jetzt betrachte, kommen sie mir kindisch vor. Bitte gib mir den Mut, die Frau zu sein, die Travis braucht.
Als sie die lauwarmen, halbverbrannten Eier aß, versuchte sie sich die biblische Rebekka vorzustellen. Wenn sie gleich am ersten Tag Isaaks Zelt teilen konnte, würde Meredith es sicher auch hinbekommen, wo sie Travis doch immerhin schon viermal so lange kannte.
Aber Rebekka hatte daraufhin Zwillinge bekommen.
Fast wäre Meredith an dem Speckstück erstickt, das sie gerade kauen wollte. Sie griff zitternd nach ihrem Kaffeebecher und trank zwei große Schlucke.
Guter Gott. Das Leben mit einem Ehemann zu verbringen, würde schon schwer genug werden. Kinder konnten noch ein bisschen warten – oder lieber noch ein bisschen länger.
Zum Glück waren Travis’ Brüder noch nicht hier. Meredith betrachtete den Geschirrstapel, der sich im Waschbecken befand, und verzog die Lippen. Es schien so, als hätten sie die Hausarbeit bereits ihr übertragen. Entweder das oder die Archermänner wuschen immer erst abends ab.
Vielleicht zogen sie dafür ja auch Strohhalme.
* * *
Travis zupfte an den zu kurzen Ärmeln des guten Anzuges seines Vaters herum und bewegte seine Schultern nur sehr vorsichtig, da er Angst hatte, er könnte die Nähte zum Platzen bringen. In seiner Vorstellung war sein Vater immer so ein riesenhafter Mann gewesen, dass Travis niemals erwartet hätte, dass ihm sein Jackett nicht passen könnte. Das Kleidungsstück war so alt wie die Berge und muffig wie vier Wochen altes Brot, doch es war die einzig annehmbare Jacke im Haus. Travis und seine Brüder hatten aufgrund ihrer Lebensweise nichts anderes als Arbeitsklamotten gebraucht. Zumindest bis heute.
So viel zum Thema, dass er sich etwas Vernünftiges anziehen wollte. Travis pellte sich wieder aus der Anzugjacke und legte sie zurück in die unterste Schublade seiner Kommode, wo sie wahrscheinlich für die nächsten Jahrzehnte vor sich hingammeln würde. Wenigstens konnte er ein sauberes Hemd anziehen. Natürlich handelte es sich dabei um das kratzige weiße Baumwollding, das seinen Nacken immer so zum Jucken brachte, doch das war besser als die erdfarbenen Flanellhemden, die er sonst trug. Und er könnte den schwarzen Bolotie, die Cowboy-Krawatte, umbinden – der einzige Teil des Anzuges, der ihm mit Sicherheit passen würde.
Travis nahm das Andenkenkästchen seiner Mutter heraus und fuhr mit der Hand über die Rosenschnitzereien im Mahagonideckel. Nach neunzehn Jahren ohne sie verblassten seine Erinnerungen allmählich.
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