Kann es wirklich Liebe sein
die Hälfte ihrer Haarnadeln nach dem Zusammenstoß mit Samson verlorengegangen waren, hatte sie sich mit einem Haarknoten behelfen müssen. Ihr Pony hatte die Locken verloren und sah fransig aus. Sie wand sich eine Strähne um den Finger, zählte bis fünfzig und ließ sie wieder los, doch das widerspenstige Ding wollte einfach nicht geringelt bleiben. Meredith stieß entnervt ihren Atem aus, was alle losen Strähnen ihrer Frisur einmal aufflattern ließ, und schüttelte den Kopf. Dann legte sie die Hand auf ihren nervösen Magen und hob ihr Kinn.
Nun gut, es würde nicht die Hochzeit ihrer Träume werden. Aber immerhin heiratete sie den Mann ihrer Träume. Das war genug. Außerdem war eine Hochzeit nur eine Veranstaltung. Es war das gemeinsame Leben danach, das wirklich zählte. Werd erwachsen, Meri. Es wird Zeit, die Gefühlsduseleien abzustellen.
Ihre Schultern sackten ein wenig in sich zusammen, als sie noch einmal das abgetragene Hauskleid in all seiner zerknitterten Schönheit betrachtete, das an ihr hing. War es wirklich eine Gefühlsduselei, sich an seiner Hochzeit ein Kleid zu wünschen, das ein bisschen hübscher aussah? Sie seufzte. Immerhin roch es nicht nach Rauch. Das grüne Kleid, das sie in der Nacht des Feuers getragen hatte, stank immer noch und sie fragte sich, ob sie jemals die Rußflecken herausbekommen würde. Eins war sicher – wenn sie hier die Aufgaben im Haushalt übernahm, würde die Wäsche ganz oben auf ihrer Liste stehen.
Es klopfte an der Tür. Die Schmetterlinge im Bauch, die sie bisher so erfolgreich unterdrückt hatte, stoben plötzlich auf und flatterten wild durcheinander.
„Meri?“ Travis’ Stimme. „Dein Frühstück ist fertig.“
„Danke. Ich … Ich komme gleich.“ Sie wand sich vom Spiegel ab und hielt sich noch einmal am Bettpfosten fest – mehr, um ihre Nerven zu stabilisieren als ihre Schritte. Mit geschlossenen Augen rezitierte sie noch einmal das Versprechen aus dem Römerbrief. „Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt, bei denen, die nach seinem ewigen Plan berufen sind.“
Dann reckte sie ihr Kinn, öffnete die Augen und ging zur Tür. Sie ergriff den Knauf und zog daran, nur um im nächsten Moment Travis direkt vor sich zu finden, der auf sie wartete. Er schnellte hoch, da er sich mit dem Rücken an die Wand gelehnt hatte. Seine Augen musterten forschend ihr Gesicht und wanderten über ihr Kleid hinunter bis zu ihren Schuhen und wieder hinauf. Als ihre Blicke sich trafen, schien es ihr einen Moment lang so, als könne sie in seinen Augen ertrinken.
Röte stieg ihr in die Wangen. So, wie er sie ansah, war sein Heiratsantrag aus weit mehr als purem Pflichtbewusstsein entstanden. Vielleicht würde ihre Beziehung doch eines Tages gegenseitige Liebe hervorbringen.
„Du siehst … besser aus heute Morgen“, sagte er und brach endlich das Schweigen. „Wie geht es deinem Kopf?“
Plötzlich fiel es Meredith schwer, seinem Blick standzuhalten. Sie richtete ihre Augen auf den Boden, während sie sich auf die Unterlippe biss. Was war los mit ihr? Wenn er sie anstarrte, machte ihr das nichts aus, doch wenn er höflich mit ihr redete, verlor sie die Nerven? Also wirklich! Das war einfach albern.
Sie hüstelte leise und zwang sich dazu, ihn anzusehen. „Mir ist nicht mehr schwindelig, wenn ich mich nicht zu schnell bewege, und mein Kopf tut auch nicht mehr weh. Nur hinter dem Ohr zwickt es noch etwas.“ Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Vielen Dank für die Nachfrage.“
Er lächelte und betrachtete dann die Wand hinter ihr. „Das freut mich.“
Jetzt war er derjenige, der unruhig wurde. Meredith hätte aufgrund dieser absolut absurden Situation fast angefangen zu kichern. Er trat von einem Fuß auf den anderen. Und was waren das für seltsame rote Striemen an seiner Wange? Der arme Mann sah aus, als hätte er sich mit einem angriffslustigen Hühnchen angelegt. Meredith konnte den Gedanken an eine der Legehennen ihrer Mutter nicht unterdrücken, die ihr immer in die Hand gepickt hatte. Vor diesem Vogel hatte sie immer schreckliche Angst gehabt, bis ihre Mutter irgendwann genug gehabt und ihnen das Tier zum Essen serviert hatte. Meredith hatte Geflügel nie mehr genossen als an diesem Abend. Vielleicht sollte sie dem Speiseplan der Archers für diese Woche auch gebratenes Hühnchen hinzufügen.
„Bist du … ähm … zu einer Entscheidung gelangt?“, fragte Travis und legte seine Hand unsicher auf die roten
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