Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Streidl
Vom Netzwerk:
ernähren. Die nur noch an Stillbüstenhalter und Erstausstattungsangebote denken können. Und ob die über Ebay gebraucht gekaufte Maxi-Cosi-Babyschale wirklich unfallfrei ist. Ich habe tatsächlich viel Tee getrunken. Aber Cappuccino ebenso. Sogar mal alkoholfreies Bier – das jedoch nur einmal.
    Ich schlucke den letzten Bissen meines Pausenbrotes runter und spüle mit einem Schluck Mineralwasser nach. Ein Apfel ist noch in meiner Tasche, den ich mir aufheben möchte für den Endspurt. Ich überprüfe ein letztes Mal die Abrechnung der Fotografin und lege die Rechnung dann in den Hauspostausgang, damit die Honorarabteilung das Geld anweisen kann. Erledigt. Die Sekretärin des Vorgesetzten ruft an, Freigabe für den Broschürendruck. Ich bestelle einen Kurier, der die Unterlagen sofort in die Druckerei bringt. Auch erledigt.
    Jetzt habe ich Lust auf einen Kaffee, den ich aber aus Rücksicht auf die junge Kollegin in der Teeküche trinken will. In der Teeküche steht die ältere Grafikerin. Ich hole mir einen Latte macchiato aus dem Kaffeeautomaten. »Ah«, sagt die Grafikerin, »’ne Latte-Mama.« Bevor ich antworten kann, ist sie weg. Und ich ärgere mich über mich selbst, ihr ins Messer gelaufen zu sein.
    Ich hasse es, Latte-macchiato-Mutter *** genannt zu werden, selbst im Spaß. Es ist mir so was von zuwider, dieses Abstempeln von Frauen, die angeblich ständig Milchkaffee schlürfen, ihre gute Ausbildung wegwerfen und, statt zu arbeiten, Kinder großziehen. Finanziert vom Einkommen ihrer Männer.
    Ganz anders sieht das meine Freundin, die ich noch aus der Schulzeit kenne. Sie hat zwei Kinder, eine fünfjährige Tochter und einen achtjährigen Sohn. Seit einem Jahr ist sie nur noch Hausfrau und Mutter – und nennt sich selbst »Latte-macchiato-Mutter aus freiem Willen«. Das Geld für die Familie bringt ihr Mann nach Hause, der für einen Pharmakonzern arbeitet. Eigentlich ist meine Freundin promovierte Übersetzerin für französische Literatur und hat lange in einem kleinen Verlag gearbeitet. Bis die Kinder kamen. Nach der Geburt ihres Sohnes blieb ihr Mann drei Wochen zu Hause, sie wollte drei Jahre in Elternzeit gehen und dann wieder arbeiten. Aber meine Freundin wurde wieder schwanger und nahm nach der Geburt ihrer Tochter erneut drei Jahre Elternzeit – drei Wochen Urlaub ihr Mann. Als die Tochter dann in den Kindergarten kam, ging meine Freundin wieder in den Verlag. Fünfzehn Stunden pro Woche. Mehr war nicht möglich, weil sie keinen Mittagsbetreuungsplatz für ihren Sohn bekommen konnte. Der war gerade in die Schule gekommen. Durchschnittlicher Unterrichtsschluss in der ersten Klasse: 11:30 Uhr.
    Am Anfang war meine Freundin hoch motiviert. Sie hat ein Farbsystem eingeführt, das ihre Arbeitszeit koordieren sollte – mich hat es an die Stundenpläne aus unserer Schulzeit erinnert. Rot markiert waren die Stunden, in denen sie tatsächlich im Verlag war (die sogenannte face time ). Grün markiert waren die Stunden, in denen sie telefonisch erreichbar war (die sogenannte home office time ). Und gelb markiert waren die Stunden, in denen sie nicht zur Verfügung stand (die sogenannte family time ).
    Diese Aufteilung hat aber nicht funktioniert. In den drei Stunden, die sie täglich ins Büro ging, fühlte sie sich immer wie zerrissen. Sie nahm an keiner Konferenz teil, teilweise aus Termingründen, teilweise aber auch aus Angst, dann gar nichts mehr zustande zu bringen. Und für das eigentliche Übersetzen reichten drei Stunden am Stück auch nicht aus. So beschloss sie, ihren Beruf an den Nagel zu hängen. Wenigstens bis auf Weiteres. Im Verlag wurde ihr endgültiger Weggang bedauert, unterm Strich war man aber auch froh.
    Seitdem meine Freundin nicht mehr arbeitet, sitzt sie nicht etwa den ganzen Tag im Café und schlürft Latte macchiato. Sie ist viel unterwegs, liest im Kindergarten ihrer Tochter französische Bücher vor, engagiert sich ehrenamtlich in der Nachbarschaftshilfe und kümmert sich um ihre demenzkranke Mutter. Natürlich unternimmt sie auch viel mit ihren Kindern, fährt sie zum Turnen, zum Musikunterricht oder zu Treffen mit anderen Kindern. Sie geht auch zum Sport und ist häufig im Kino. Und zwischendurch hat sie noch Zeit für mich.
    Sie war dabei, als ich in meiner Schwangerschaft ein besonderes Erlebnis hatte. Wir waren im Kino und gingen anschließend noch etwas trinken. Ich bestellte ein alkoholfreies Bier. Als die Getränke auf dem Tisch standen, kam einer der anderen Gäste

Weitere Kostenlose Bücher