Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Streidl
Vom Netzwerk:
Anfang zwanzig und hat gerade erst im Kindergarten angefangen. Ich freue mich für sie, aber nicht für meinen Sohn, der nun darunter leiden wird, dass eine Vertrauensperson geht. Und durch eine fremde, neue Person ersetzt wird. Ich hoffe, dass der Übergang fließend ist. Vorsichtig frage ich die Erzieherin, ob schon Ersatz gefunden ist. Nein, sagt sie, so schnell sind wir nicht.
    In der Kinderkrippe, in der mein Sohn früher war, konnte eine Stelle einen Winter lang nicht besetzt werden, weil es keine Bewerbungen gab. Seitdem die Bundesregierung den Kinderbetreuungsausbau vorantreibt und das ehrgeizige Ziel »Alles wird gut ab 2013« sogar mit einem Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz kombinieren möchte, können sich Erzieherinnen – und Erzieher, sofern es welche gibt – ihre Arbeitsplätze aussuchen. Unsere Krippe war wohl nicht so beliebt; vielleicht lag es aber auch an den hohen Mieten, die man in unserer Stadt gerade für Ein-Zimmer-Appartements zahlen muss. Die meisten Erzieherinnen sind jung, viele ungebunden, sie suchen eine Wohnung für sich allein, wenn sie wegen eines neuen Jobs in die Stadt ziehen. Ganz klar sind Mieten dabei ein Entscheidungsfaktor.
    In unserer Krippe mussten die drei übrig gebliebenen Erzieherinnen die Lücke schließen und sich die zwei Gruppen à zwölf Kinder teilen. Es gab Praktikantinnen, die einmal pro Woche kamen, und Berufsschülerinnen, die mehrere Wochen am Stück da waren. Das war schon eine Unterstützung – auch wenn manche Windel meines Sohnes zu locker zugeklebt war, was für nasse Hosen sorgte. Unterstützung gab es auch von den Müttern, die nicht berufstätig waren. Sie kamen zum Vorlesen in die Krippe, auch mal zum Weihnachtsplätzchenbacken. Die drei Erzieherinnen mussten trotzdem viele Sonderschichten einlegen – was manchmal zu einer gedämpften Stimmung führte.
    Mein Sohn hat klebrige Hände, was ich auf die Streusel zurückführe. Ich gehe mit ihm in den Waschraum und bitte ihn, seine Hände zu waschen. Ich erkläre ihm, dass wir noch einen anderen Jungen mitnehmen auf den Spielplatz. Ich gebe der Erzieherin Bescheid, die schon informiert ist – die Kindergartenmutter hat bei der Leitung angerufen. Der andere Junge ist schon fünf und reagiert sehr ruhig auf die Nachricht, dass seine Mutter ihn erst auf dem Spielplatz abholt. Ich nehme noch eine Mitteilung von der Leitung aus dem Garderobenfach meines Sohnes. Die Zeit reicht nicht, um die Mitteilung zu lesen, da mein Kleiner an meiner Hand zieht. Ich stopfe Zettel und T-Shirt in meine Tasche.
    Wir verabschieden uns von der Erzieherin und gehen zu dritt zum Spielplatz. Wir wollen zu der Anlage mit dem Klettergerüst und der Schaukel, nicht zu der mit der Rutsche, wo wir am Tag zuvor waren. Als ich um 15:38 Uhr das Tor zum Spielplatz öffne, klingelt mein Handy. Der größere Junge rennt los und setzt sich auf die Schaukel. »Geh doch auch zur Schaukel«, sage ich zu meinem Sohn. Er geht nicht, sondern bleibt neben mir stehen. »Dein Telefon klingelt«, sagt er. Ich nicke und nehme den Anruf entgegen. Es ist meine Assistentin. »Kann ich gleich zurückrufen?«, frage ich und beende das Gespräch. Erneut bitte ich meinen Sohn, zur Schaukel zu gehen. »Tika, komm schon.« Und als er sich immer noch nicht bewegt, gehe ich vor, zur Schaukel. Er läuft mir nach. Ich setze ihn auf die Schaukel neben den anderen Jungen und schubse ihn an.
    Ich wähle die Nummer der jungen Kollegin und erkläre, dass ich auf dem Spielplatz bin. Sie sagt, dass es Probleme mit der Druckerei gibt. Die Broschüre ist schon um 14:00 Uhr in Druck gegangen, weil wir so pünktlich geliefert haben. Schon eine gute Stunde später war der Proof im Büro. Weil ich nicht da war, hat der Kurier ihn bei unserem Vorgesetzten abgeliefert. Der hat sich dann fürchterlich aufgeregt. Die Farben sind, so die junge Kollegin, total »abgesoffen«. Der Vorgesetzte hat den Druck gestoppt. Und nach mir verlangt. Was sie nun tun soll, fragt sie mich.
    »Mehr!«, ruft mein Sohn. »Bis in den Himmel!«
    Ich erbitte mir kurze Bedenkzeit und schubse die Schaukel wieder an. Soll ich den Vorgesetzten anrufen und nach seiner Einschätzung fragen? Oder erst die Druckerei? Oder die junge Grafikerin, die die Druckunterlagen fertig gemacht hat? Nur kurz kommt mir der Gedanke, alles auf den kommenden Tag zu verschieben.
    Mein Sohn jauchzt auf der Schaukel, und mein Handy piept, ich habe eine Kurzmitteilung erhalten. Mein Mann schreibt, dass er am Abend später

Weitere Kostenlose Bücher