Kann ich gleich zurueckrufen
zu uns. Mein dicker Bauch in Kombination mit einer Flasche Bier hatte ihn angelockt. Ob ich nicht wisse, dass Alkohol für Schwangere verboten sei, fragte er. »Klar weiß ich das«, antwortete ich gut gelaunt. »Deswegen trinke ich ja alkoholfreies Bier.« Ob ich nicht wisse, dass in alkoholfreiem Bier Restalkohol sei, fragte der Fremde weiter. Als ich nichts mehr sagte und auch meine Freundin nicht, ging er kopfschüttelnd an seinen Tisch zurück. Eine Weile später kam die Bedienung bei ihm vorbei, er redete auf sie ein und deutete mit dem Finger auf mich. Ich habe mein Bier nicht mehr weitergetrunken. Wir sind bald nach Hause gegangen. Der Abend war kaputt, meine Freundin und ich konnten kein Gespräch mehr führen, ohne immer wieder auf den Fremden zurückzukommen.
Als ich zu Hause meinem Mann von diesem Erlebnis erzählte, regte er sich fürchterlich auf. Über den Gast, der sich einfach in das Leben anderer einmischte, aber auch über mich, die das zugelassen hatte. Meine Schulfreundin tröstete mich bei unserem nächsten Telefonat. »Du willst halt nur das Zweitbeste für dein Kind«, sagte sie mit einem Lächeln. »Weil du auch ein Leben hast.« Sie hat Recht. Leider. Ich trinke den letzten Schluck Milchkaffee, kontrolliere mein Handy und gehe zurück in mein Büro.
Die Grafikerin liefert pünktlich. Gegen zwei Uhr drucke ich die Präsentation für den Vorgesetzten aus und lege die blaue Mappe auf seinen Schreibtisch. Nummer drei erledigt, freue ich mich. Ich beantworte noch einige Mails und gehe den Abteilungsterminkalender durch. Alles im Zeitplan, ich habe nichts übersehen. Ich schalte meinen Computer aus und verlasse das Büro um 14:45 Uhr.
Während der Fahrt zum Kindergarten steht ein Telefonat mit meiner Mutter an. Ich gehe zur Bushaltestelle und wähle ihre Nummer. Sie ist zu Hause. Ich frage sie, wie es ihr geht. Sie klingt etwas müde, vielleicht hat sie geschlafen. Ich bitte sie, am Donnerstagnachmittag für eine Stunde mit dem Kleinen auf den Spielplatz zu gehen, da ich einen Termin bei meiner Friseurin vereinbart habe. Meine Mutter verspricht zu kommen. »Ich freu mich«, sage ich und beende das Gespräch. Hungrig beiße ich in den Apfel, den ich noch in meiner Tasche habe. Noch eine Haltestelle, dann muss ich aussteigen. Ich suche in meinem Geldbeutel die Münzen für eine Brezel zusammen und beschließe, mir für den Spielplatzbesuch ein Schokocroissant zu kaufen. Mir fällt mir auf, dass ich mich nicht daran erinnern kann, was meine Mutter gesagt hat, als ich sie gefragt habe, wie es ihr geht. Hat sie überhaupt geantwortet? Ich weiß es nicht.
Fünf nach drei, der Bus hält an. Ich steige aus, werfe den Apfelrest in den Müllkorb an der Haltestelle und überquere die Straße. Mein Handy klingelt. Eine Kindergartenmutter ist dran. »Kannst du meinen Sohn mitnehmen?«, fragt sie, »ich hab die U-Bahn verpasst.« Wenn sie die nächste nimmt, schafft sie es nicht mehr rechtzeitig, ihre Tochter aus der Kinderkrippe abzuholen. Die ist zwei U-Bahn-Stationen vom Kindergarten entfernt. »Um halb vier fangen die mit der Nachmittagsbrotzeit an und lassen die Kinder dann nicht vor vier gehen«, erklärt die Kindergartenmutter. »Um vier kommt aber ein Handwerker zu uns, den ich nicht verpassen will. Das Klo ist verstopft.« Sie ist völlig aufgelöst. Wahrscheinlich ist sie nicht rechtzeitig von der Arbeit weggekommen. Sie hat mir mal erzählt, dass sie da sehr unter Druck steht, weil ihre Chefin sie nicht mag – die gerne kurz vor Dienstschluss mit Aufgaben kommt, um sie, die berufstätige Mutter von zwei Kindern, zu schikanieren. »Ich nehme deinen Sohn mit, wir gehen auf den Spielplatz mit dem Klettergerüst und der Schaukel«, sage ich. Sie ist erleichtert. Und ich muss mich beeilen, es ist schon 15:12 Uhr. In der Bäckerei kaufe ich zwei Brezeln und ein Schokocroissant und haste weiter.
Im Kindergarten läuft mir mein Sohn entgegen. »Mama«, ruft er, »ich habe gerade Streusel gegessen!« Er will auf meinen Arm. Ich nehme ihn hoch und drücke ihn an mich. Angekommen, denke ich. Dann fühle ich seine Stirn. Er ist nicht heiß. Trotzdem frage ich die Erzieherin, ob ihr etwas aufgefallen ist. Ob er gehustet hat. Nein, sagt sie, er war wie immer, vielleicht ein bisschen ruhiger. Und dann erklärt sie, dass ihre Kollegin heute einen Kirschstreuselkuchen mitgebracht hat, um auf der Teamsitzung bekannt zu geben, dass sie schwanger ist und in vier Monaten in Mutterschutz geht. Die Erzieherin ist
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