Kann ich gleich zurueckrufen
natürlich kann ich die USA -Reise noch absagen.« Ich sage ihm, dass ich seine gute Laune nicht verderben wollte und dass ich deshalb nicht gleich vom Fieber gesprochen habe. Dass ich ihn nicht damit überfallen wollte. Er lächelt.
Vielleicht gibt es diese Verantwortungs- und Anerkennungsstudie. Das heißt aber nicht, dass mein Mann den Ergebnissen dieser Studien entspricht. Ich gähne. Und bitte meinen Mann, die erste Schicht am Krankenbett zu übernehmen. Auf dem Weg ins Bad komme ich an meiner Tasche vorbei: Das inzwischen ziemlich zerdrückte Schokoladencroissant werfe ich mit der angebissenen Brezel in den Abfall. Und den Zettel, der heute im Garderobenfach meines Sohns gelegen hat, lese ich beim Zähneputzen.
Es ist eine Ankündigung: Am nächsten Montag ist der Kindergarten wegen eines Streiks geschlossen. Es geht um höhere Löhne für Erziehungsarbeit, etwas, das, so die Formulierung der Kindergartenleitung, sicher alle Eltern nachvollziehen und gutheißen können. Für den Ausfalltag wird um Verständnis gebeten.
Ich spucke Zahnpastaschaum ins Waschbecken. Gegen elf schaue ich noch einmal nach meinem Sohn und gehe dann ins Bett. Ich schlafe sofort ein.
*** Für die Bezeichnung »Latte-macchiato-Mutter« zeichnet die Berliner Journalistin Simone Schmollack verantwortlich, die für die taz arbeitet. Und dass Latte-macchiato-Mütter auch außerhalb von Berlin, Prenzlauer Berg, keine Lobby haben in Deutschland, ja sogar in der Literatur abgewatscht werden, zeigt die Erzählung Carlottas Spaß von Ulrike Draesner, erschienen 2011 im Erzählband Richtig liegen – Geschichten in Paaren .
**** Die Studie Effects of Union Type on Division of Household Labor: Do Cohabiting Men Really Perform More Housework? der Soziologin Shannon Davis u. a. von 2007 zeigt, dass verheiratete Männer weniger im Haushalt helfen als Männer, die mit ihrer Partnerin ohne Trauschein zusammenleben. Das gilt auch für die Paare, die sich Hausarbeit vor der Ehe noch gleichberechtigt aufgeteilt haben.
MITTWOCH
Es ist halb sechs. Ich trinke Kaffee, weil ich müde bin, aber nicht mehr schlafen kann. Die zweite Schicht am Bett meines fiebernden Sohns hat in der Nacht um halb drei begonnen: Ich habe lauwarme Wadenwickel gemacht, ihm die Hand gehalten und ihn frisch angezogen, so durchgeschwitzt war er. Danach habe ich ihm fiebersenkenden Saft verabreicht. Der Kleine schläft seitdem, das Fieber ist auch gesunken. Ich sitze mit meiner Tasse an seinem Bett. Als ich wieder auf die gelbe Uhr schaue, ist es kurz vor sechs, ich bin immer noch müde, entscheide mich aber dagegen, mich noch mal hinzulegen.
In Nachthemd und Bademantel hole ich die Zeitung aus dem Briefkasten und blättere darin am Küchentisch zu meiner zweiten Tasse Kaffee. Seit sieben Jahren arbeite ich jetzt für das große Medienhaus – das hat Spuren hinterlassen. Ich konsumiere mehr Zeitungen, Zeitschriften und Magazine pro Tag, als ich Tassen Kaffee trinke. Bei einem Interview mit einer Gewerkschaftssprecherin bleibe ich hängen. Nicht nur in unserem Kindergarten wird nächste Woche protestiert. Der Streik am kommenden Montag ist Teil einer landesweiten Demonstration gegen die Herabwürdigung der Erziehungsarbeit durch niedrige Löhne, lese ich. Es geht natürlich um mehr Geld. Es geht aber auch um besseren Gesundheitsschutz. Das kann ich gut verstehen. Es ist erstaunlich, dass die Erzieherinnen so selten krank sind, viel seltener als die Kinder. Auf kleinen Stühlen an niedrigen Tischen zu sitzen, ständigem Geschrei ausgeliefert zu sein, Kinder tragen zu müssen: Dieser Arbeitsalltag muss anstrengend sein. Besonders, wenn die Kinder klein sind. So wie meins.
Obwohl das Fieber in der Nacht einmal bis auf 40,2 °C gestiegen ist, bin ich gerade ganz ruhig. Mein Sohn schläft und wird sicher über die Infektion, die ich hinter dem Fieber vermute, hinwegkommen. Er hatte schon öfter einen Tag Fieber, hohes Fieber, ohne böse Folgen. Irgendwie bin ich sogar froh, dass er Fieber hat – ich stelle mir vor, wie alle Keime und Viren, die ihn angreifen und schwächen wollen, in einen großen Backofen gesteckt werden und verbrennen.
Was mir in der durchwachten Nacht immer wieder durch den Kopf gegangen ist, ist die Broschüre, die heute in Druck gehen muss. Ich werde die junge Kollegin gegen acht Uhr anrufen und ihr genaue Anweisungen geben. Gegen neun Uhr werde ich den Vorgesetzten anrufen und ihm erklären, dass ich das Projekt an meine Assistentin abgegeben habe. Und dann
Weitere Kostenlose Bücher