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Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Streidl
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aus gesundheitlichen Gründen notwendig. Als ich antwortete, die Krankenkasse selbst habe mich in die Rückbildungsgymnastik gedrängt, mit dem Versprechen der Kostenübernahme, bekam ich die Mitteilung, dass in meinem Fall eine einmalige Ausnahme gemacht werde. Die Kasse übernehme die Hälfte der Kosten für die Rückbildungsgymnastik.
    Ich habe wegen der anderen Hälfte nicht weitergestritten. Schließlich musste ich ja noch auf das Mutterschaftsgeld warten. Und das Elterngeld – das erst ab dem Tag der Geburt beantragt werden kann. Und obwohl mein Mann und ich alle Unterlagen zusammenhatten und wir gut auf das Anforderungsprozedere vorbereitet waren, zehrte auch dieser Vorgang stark an meinen jungen Mutternerven. Gefühlt haben wir die Steuererklärungen der letzten fünf Jahre kopiert und zahlreiche Extrainformationen von der Schuhgröße meines Sohnes bis zur Farbe unseres Autos nachgereicht.
    Wäre ich in dieser Zeit auf Mutterschaftsgeld und Elterngeld angewiesen gewesen, um Miete davon zu bezahlen oder die Windeln meines Neugeborenen, ich wäre verrückt geworden. Denn das letzte Gehalt hatte ich Anfang Februar erhalten, seitdem waren die Zahlungseingänge auf meinem Girokonto zum Stillstand gekommen. Ich konnte ab April meine Handyrechnung nicht mehr bezahlen, ohne meinen Mann anzupumpen. Und das hat mich neben dem ganzen Hickhack mit den Kassen auch wahnsinnig genervt. Ein Kind zu bekommen darf doch nicht bedeuten, finanziell ruiniert zu werden.
    Da kommt die Kindergartenmutter. Noch eine Frau im Businessoutfit auf dem Spielplatz. Sie trägt zu ihrem Kostüm Pumps und schiebt ihre Tochter im Buggy erstaunlich trittsicher durch den Sand. Vielleicht lernt man das mit dem zweiten Kind. Ich winke ihr und zeige auf das Klettergerüst, unter dem ihr Sohn sitzt und die Brezel isst. Sie ruft ihn, er steht auf und läuft auf sie zu. Die Kindergartenmutter kommt zu mir und bedankt sich. »Wir müssen heim, der Handwerker«, sagt sie. Ich nicke. Immer im Stress. Immer zu wenig Zeit. Niemals Feierabend.
    Und meiner Assistentin habe ich auch den Feierabend verdorben, denke ich dann. Denn aus Erfahrung weiß ich, dass die Druckerei den Proof nicht vor halb acht liefern wird – Extraaufträge dauern einfach extra lang. Ich habe sie nicht davor gewarnt. Weil die junge Kollegin kein Kind hat, das sie von der Krippe abholen muss. Weil sie keinen Mann hat, mit dem sie den Abend verbringen möchte. Halt, ich weiß überhaupt nicht, ob sie eine Beziehung hat. Geschweige denn, wer der Vater ihres Kindes ist, wenn das, was die Kaffeebecher und die Reiswaffeln heute angedeutet haben, stimmt.
    Mein Sohn sitzt immer noch auf meinem Schoß. Ich fühle nach, ob sein Nacken oder seine Stirn heiß sind – doch seine Temperatur scheint völlig normal. Ich ziehe ihn näher an mich ran und flüstere in sein Ohr: »Wollen wir heimgehen?« Er nickt.
    Wir kommen um 16:30 Uhr nach Hause, haben auf dem Heimweg noch im Supermarkt eingekauft. Die letzte Etappe will mein Sohn nicht mehr laufen, ich muss ihn tragen – und meine Tasche und zwei volle Einkaufstüten. Ich schnaufe schwer. Er ist aber sehr ruhig. Ich bin mir sicher, dass er krank wird.
    Zu Hause sehe ich sofort, dass alles sauber ist, sogar die Spülmaschine hat die Putzfrau ausgeräumt. Das beruhigt mich. Ich ziehe dem Kleinen die Schuhe aus. Dann gehe ich mit ihm in die Küche und schenke ihm ein Glas Wasser ein. Während ich den Staubsauger hole, frage ich ihn, ob er Lust hat, mit mir eine DVD anzusehen. Er jubelt, aber sein Jubel ist matt. Nachdem ich die heute nur ziemlich kleine Sandspur zwischen Eingangstür und Kinderschuhen weggesaugt habe, setze ich mich mit meinem Kleinen aufs Sofa. Wir schauen eine Folge einer Kinderserie an. Schon bei der Hälfte sehe ich, dass seine Augen glasig sind. Ich fühle seine Stirn – er ist heiß. Ich ziehe ihm seinen Schlafanzug an und trage ihn ins Bett. Die gelbe Uhr zeigt erst kurz nach fünf – aber er protestiert nicht. Es scheint ihm wirklich schlecht zu gehen. Nicht mal den Plüschhasen will er haben. Ich messe Fieber: 38,9 Grad.
    Ich koche Lindenblütentee und setze mich an sein Bett. Er liegt unter der Decke und fragt nach meinem Mann. »Der Papa kommt bald«, sage ich. Mein Handy piept – Erinnerung: Ich ziehe die gelbe Uhr auf. Und dann klingelt es auch noch. Erst will ich den Anruf gar nicht entgegennehmen, schließlich braucht mein krankes Kind gerade meine Aufmerksamkeit. Dann fällt mir ein, dass ich die junge Kollegin um

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