Kann ich gleich zurueckrufen
der Broschüre und die Präsentation für den Vorgesetzten. Ich klicke weiter im Kalender bis zum Familienurlaub. Elba, Ferien, Sonne – noch in weiter Ferne. Die Waschmaschine ist fertig. Ich räume die Wäsche in den Trockner und starte das Programm Schnelltrocken. Dann setze ich mich wieder ans Bett meines Sohnes.
Um kurz nach acht kommt mein Mann nach Hause. Wir setzen uns gemeinsam an den Küchentisch. Er ist gut gelaunt und schlägt vor, ein Glas Wein zu trinken. Ich merke gleich, dass er große Neuigkeiten hat: Das Familienauto, eine neue energiesparende Limousine mit viel Platz, an dessen Entwicklung er seit langem mitarbeitet, steht kurz vor der Fertigung. Der Bereich meines Mannes ist die Entwicklung des Interieurs. Und heute kam die Nachricht, dass der Prototyp des Wagens schon in der nächsten Woche in den USA vorgestellt werden soll. Mein Mann soll dabei sein. »Mein Chef hat meine Arbeit der letzten Monate sehr gelobt«, sagt mein Mann. So sehr, dass er ihm nach Abschluss der Arbeit am Familienauto einen neuen Verantwortungsbereich übergeben möchte. Er freut sich. »Eine Beförderung«, sage ich und freue mich auch. Wir stoßen an.
Aber eigentlich freue ich mich nicht. Denn ich habe natürlich auch bemerkt, dass er in den letzten Monaten sehr gut gearbeitet hat. Weil er häufig später nach Hause gekommen ist. Weil er oft so früh aus dem Haus musste, dass er unseren Sohn nicht in den Kindergarten bringen konnte. Obwohl wir uns von Anfang an darauf geeinigt haben, dass es Papa-Hinbring-Tage – der Kleine nennt sie Autotage – und Mama-Hinbring-Tage gibt; sind doch alle Tage schon Mama-Abhol-Tage. Nun kommt noch eine einwöchige Reise in die USA hinzu.
Es ist die erste Dienstreise, die mein Mann seit der Geburt unseres Kindes antreten muss – und will. Er spricht von seiner großen Chance, erklärt, dass er seinem erzkonservativen Chef zeigen möchte, dass er für die Firma verreisen kann. Dass seine Familie kein Hindernis ist. Dabei spekuliert er nicht auf eine Beförderung. Sondern auf die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, um in eine andere Abteilung zu wechseln, weg von seinem Vorgesetzten, für den Frauen nur Sekretärinnen und Ehegattinnen sind. »Ich soll dich übrigens herzlich von ihm grüßen«, sagt mein Mann ein wenig bitter. »Du kannst stolz auf mich sein, soll ich dir bestellen.« »Das bin ich. Auch ohne Befehl deines Chefs«, sage ich. Ich freue mich wirklich für meinen Mann. Aber ich sorge mich darum, was diese Neuigkeit, diese Reise, diese Beförderung mit unserer Familie macht. Gerade weil mein Mann und ich alles so sorgfältig organisiert haben, ist es schwierig, unsere Alltagsstruktur über den Haufen zu werfen.
Natürlich kann ich unseren Sohn eine Woche lang allein zum Kindergarten bringen. Nur bin ich mir nicht sicher, ob ich das auch möchte. Vielleicht kann ich aus egoistischen Gründen gerade keine reine Freude empfinden. Ich denke an eine Studie über die Veränderung des Alltagslebens von Paaren. **** Dass es nach der Heirat weniger Gleichberechtigung in Sachen »Wer kümmert sich um den Haushalt?« gibt – weil die frischgebackenen Ehemänner nach dem Jawort angeblich weniger anpacken. Ich frage mich, ob es auch eine Studie gibt, die belegt, dass es nach einer Beförderung des Mannes weniger Gleichberechtigung in Sachen »Wer kümmert sich ums Kind?« gibt – weil die Ehemänner dann, wenn sie mehr Verantwortung und Anerkennung im Büro bekommen, in ihrem Zuhause gerne Verantwortung und Anerkennung abgeben.
Ich bin eine schlechte Partnerin, denke ich. Und weil ich nicht auch noch eine schlechte Mutter sein will, gehe ich ins Kinderzimmer. Die gelbe Uhr zeigt Viertel vor neun. Mein Sohn schläft. Er hat die Decke weggeschoben und ist immer noch heiß. Vorsichtig messe ich seine Temperatur. 39,1 °C. Ich decke seine Füße zu, gehe wieder in die Küche und erzähle meinem Mann von dem Fieber. »Warum hast du das nicht gleich gesagt?«, fragt er vorwurfsvoll. Er geht ins Kinderzimmer und kommt mit besorgtem Blick zurück. »Er ist wirklich heiß«, sagt er. »Hoffentlich ist es nichts Schlimmes, vor allem, weil ich doch wegmuss nächste Woche.«
Mein Mann weiß genau, was ich denke, nämlich dass er doch bitte bleiben soll, weil es jetzt schon schlimm ist. Dass ich es natürlich allein schaffen kann, ob Fieber oder Windpocken-Scharlach-Mumps, dass ich das aber nicht will. Er beruhigt mich. »Er hat nur Fieber. Wir schauen einfach, wie es weitergeht. Und
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