Kann ich gleich zurueckrufen
schläft tief, ich fühle seine Stirn, sie ist nicht mehr heiß. Ich kippe das Fenster und gehe wieder in die Küche. Sieben Uhr – ich habe Lust auf ein Frühstücksei. Bis das Wasser kocht, lese ich auf meinem Laptop die E-Mails, die ich seit gestern Nacht an meine Büroadresse erhalten habe. Ein paar Newsletter, das Angebot eines Fotografen, sonst nichts. Ich aktiviere meine automatische Abwesenheitsnachricht – und formuliere sie so, dass ich ab morgen wieder im Büro erreichbar bin. Dann schalte ich den Computer aus und setze mich an den Küchentisch: Frühstück mit meinem Mann – heute ohne unseren Sohn.
Mein Mann erzählt von seiner Arbeit. Er ist immer noch voller Vorfreude wegen der USA -Reise und den Möglichkeiten, die ihm eine Beförderung bringen. Während ich eher praktische Dinge erwähne wie weniger Zeit und mehr Geld, schwärmt mein Mann davon, sich neuen Herausforderungen stellen zu können. Und ein Arbeitsumfeld zu verlassen, das fürchterlich konservativ ist. »Der Chef ist der strenge Vater, wir tun, was er sagt. Und wenn ich mal nicht seiner Meinung bin, sage ich das am besten gar nicht. Er akzeptiert sowieso nur das, was er denkt. Mir bleibt in einem solchen Fall lediglich die Wahl zwischen tun, was er sagt, und schlechte Laune haben, weil er meine Alternativvorschläge abgewiesen hat. Oder einfach nur tun, was er sagt.«
Ich bin überrascht. Mein Mann arbeitet schon seit fast zehn Jahren für den Automobilkonzern, er hat als Werkstudent angefangen und wurde nach dem Diplom übernommen. Die Entwicklungsabteilung, in der er heute ist, war immer seine Wunschabteilung. Weil dort noch Visionen existierten, wie er früher schwärmte. Dass am Heimatort der Visionen die Stimmung am konservativsten ist, finden wir beide erschreckend und überraschend zugleich. »Du könntest auch versuchen, selbst Chef der Entwicklungsabteilung zu werden«, sage ich mehr im Spaß. Mein Mann wird ernst. »Darüber habe ich auch mal nachgedacht, schließlich hat mein Chef nur noch drei Jahre bis zur Rente. Aber dann wäre ich nie mehr zu Hause.«
Er muss los. Ich bringe ihn zur Tür. Ein komisches Gefühl, an einem Mittwoch nicht hetzen zu müssen. Gut, dass ich heute nicht auf den Aufzug warten muss, denke ich und räume das Frühstücksgeschirr in die Spülmaschine. 8:03 Uhr, ich rufe die junge Kollegin an. Sie klingt müde. Ich sage ihr, dass ich heute nicht ins Büro kommen werde. »Dann weiß ich Bescheid«, sagt sie, und dann unterbreche ich sie auch schon, bitte sie, den Proof mit dem Vorgesetzten zu bespechen und dann der Druckerei das Go für den Auftrag zu geben. Ich nenne ihr noch einmal den Ansprechpartner in der Druckerei und kündige auch an, dass ich den Vorgesetzten gegen neun persönlich informieren werde. Und dass sie erst dann mit dem Proof zu ihm gehen soll. »In Ordnung«, sagt sie.
Etwas unvermittelt frage ich sie dann, wie es ihr sonst so gehe. Ob ihr noch schlecht sei. Sie antwortet nicht gleich, sondern braucht einen Moment, um mit ihrer Antwort zu beginnen. Während sie erklärt, dass sie darüber eh schon mit mir sprechen wollte, höre ich meinen Sohn, der nach mir ruft. Ich würge das Gespräch ab und gehe ohne Telefon in sein Zimmer.
Mein Kleiner sitzt im Bett und reibt sich die Augen. Er fragt, wo ich war. Und kuschelt sich in meinen Arm. Essen will er nichts, aber einen warmen Kakao trinken. Mir fällt ein, dass ich dem Kindergarten auch Bescheid geben muss.
Die gelbe Uhr zeigt Viertel nach acht an. Während die Milch warm wird, rufe ich im Kindergarten an. Mein Sohn sei nicht der Einzige mit Fieber, eine andere Mutter habe ihr krankes Kind auch schon entschuldigt, sagt die Leitung und wünscht gute Besserung. Dann erinnert sie mich noch an den Elternabend, der am kommenden Tag im Kindergarten stattfindet. »Es wäre schön, wenn Sie oder Ihr Mann vorbeischauen könnten«, sagt sie. »Oder Sie beide.« Der Elternabend. Den hatte ich ganz vergessen. Zweimal im Jahr findet ein Elternabend im Kindergarten statt. Den letzten im Herbst hat mein Mann übernommen, den jetzt, im Frühling, wollte ich besuchen. »Einer von uns beiden wird sicher kommen«, sage ich.
Ich beende das Telefonat und bringe meinem Sohn den Kakao ans Bett. Er liegt auf dem Rücken und schaut an die Decke, mit glasigen Augen. Ich helfe ihm, sich aufzusetzen, und fühle seine Stirn. Er ist nicht heiß, aber verschwitzt. Er trinkt ein paar Schlucke Kakao, dann will er wieder liegen. Ich hole ein frisches Unterhemd,
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