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Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Streidl
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abgearbeitet: Ich habe das Attest in der Personalabteilung abgegeben, mit der Druckerei gesprochen und mit der Sekretärin meines Vorgesetzten. Um 10:45 Uhr habe ich einen Termin mit dem Vorgesetzten, um die Präsentation zu besprechen. Ich stelle fest, dass das Gerede über meine Assistentin größere Ausmaße angenommen hat. In der Personalabteilung hat man mich gefragt, ob ich von einer Schwangerschaft in meiner Abteilung wüsste. Was ich verneinte.
    Ich bereite mich auf das Gespräch mit dem Vorgesetzten vor, drucke ein Angebot eines Fotografen aus, dessen Bilder mir für eine geplante Kampagne gefallen. Mein Handy klingelt. Die Putzfrau, Zsófia, ist dran. Sie sagt mir, dass sie nicht mehr kommen kann, weil sie sich um ihre Tochter kümmern muss, die die letzten drei Jahre bei Zsófias Mutter in Ungarn gelebt hat. Vor einem Jahr ist sie zu Zsófia nach Deutschland gezogen. Sie geht in die vierte Klasse und will im nächsten Schuljahr aufs Gymnasium. Oder mindestens auf die Realschule. Dafür muss ihr Deutsch aber noch viel besser werden. Um die Tochter bei den Deutschkursen zu unterstützen, braucht Zsófia mehr Zeit. Es tut ihr leid, sagt sie. Auch dass sie so kurzfristig kündigt.
    Beim Reden stößt sie immer wieder an sprachliche Grenzen, manche Sätze klingen unfreundlich, sind aber wohl nicht so gemeint. Ich sage ihr, dass ich sie verstehe. Und dass es wichtig ist, eine gute Schule zu besuchen. Damit später eine gute Ausbildung möglich ist. Das hört sich unfreundlich an, obwohl es nett gemeint sein soll, was ich merke und Zsófia auch. Sie sagt nach einer kleinen Pause, dass sie nicht will, dass ihre Tochter auch putzen gehen muss. Nur putzen, das ist nicht gut. Zsófia sagt außerdem, dass sie eine Freundin hat, die auch putzt. Und dass sie mir mit der Abschlussrechnung auch die Telefonnummer dieser Freundin schickt. Damit schnell wieder jemand zu mir kommt. Zum Putzen. Ich bedanke mich bei Zsófia. Und wünsche ihr und ihrer Tochter alles Gute. Und viel Glück für die neue Schule.
    Ich fühle mich nicht gut. Weil ich zwei Jahre eine Putzfrau beschäftigt habe, über die ich fast nichts weiß. Ich nenne sie meistens »Putzfrau« und nicht Zsófia. Ich kann mir ihren Nachnamen nicht merken, geschweige denn ihn richtig aussprechen. Ich habe nicht gewusst, dass sie eine Tochter hat, ich habe nicht gewusst, dass die Tochter seit einem Jahr in Deutschland lebt und hier in die Schule geht. Ich schäme mich für das letzte Weihnachtsgeschenk, das ich Zsófia gemacht habe: Glühwein und Amarettochriststollen. Geht’s noch familienunfreundlicher? Auch wenn ich peinlich genau darauf geachtet habe, Zsófia nicht auszubeuten, bin ich mir jetzt nicht mehr so sicher, ob mir das gelungen ist. Gedankenlos war ich auf jeden Fall. Da leide ich unter dem Mutter-Mobbing meines Vorgesetzten und bin selbst eine ignorante Auftraggeberin.
    Zeit, zum Vorgesetzten zu gehen. Ich muss bei der Sekretärin warten, da er noch telefoniert. Nach einer Weile öffnet er die Tür und bittet mich in sein Zimmer. »Da sind Sie ja. Zu Hause alles klar?« Meine Chance, denke ich. Und höre mich sagen: »Alles wieder in Ordnung.« Er deutet auf einen Stuhl, der auf der anderen Seite seines Schreibtisches steht, und schließt die Tür. Ich setze mich. Er fragt, ob ich mich für Fußball begeistere. Meine Antwort wartet er aber gar nicht ab, sondern erzählt ausführlich, wie er gestern Abend den Tisch mit einem bekannten Fußballer und dessen Freundin teilen musste. Das Restaurant hatte eine Doppelbuchung gemacht und war bis zum letzten Stuhl besetzt. Die haben erstklassiges Essen, so mein Vorgesetzter. »Was für ein primitiver Typ«, sagt er dann über den Fußballer, »bestellt Weißbier zum Fisch.« Ich nicke, sage aber nichts. Der Vorgesetzte legt mir den aktuellen Proof für die Broschüre hin und den Entwurf der Präsentation, den ich Montagabend für ihn gemacht habe. »Da ist zweimal der Wurm drin in Ihren Projekten«, sagt er. »Brauchen Sie Urlaub?«
    Ich schlucke erst mal. Dann setze ich an, mich zu verteidigen, breche aber gleich wieder ab. Und frage stattdessen, wo er konkret nicht zufrieden ist.
    Er bemängelt das Hin und Her bei der Erstellung der Broschüre, dass es Probleme mit den Farben gab, dass ein falsches Logo verwendet wurde und ich einen Tippfehler übersehen habe. Er kann sich nicht um alles selbst kümmern, deswegen vertraut er mir Projekte an, sagt er. Die ich in der Vergangenheit deutlich besser abgeschlossen

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