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Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Streidl
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lahmen Witze, über die wir Angestellten aus Höflichkeit lachen müssen, bis zu seiner Angewohnheit, anderen ständig ins Wort zu fallen. All das mag ich nicht.
    Mein Kleiner turnt auf dem Stuhl herum, den Plüschhasen im Arm. Auf meine Bitte trägt er seine Schüssel zur Spülmaschine und sagt dann zu mir: »Der Hase sagt, du sollst den Tisch abräumen.« Ich lache. »Und sagt der Hase auch, was Tika machen soll?« »Spielen!« Es geht ihm offensichtlich wieder gut. Trotzdem bin ich nicht ganz sicher, ob er schon gesund genug ist, in den Kindergarten zu gehen. Mein Mann beruhigt mich. »Heute ist Autotag«, sagt er. »Heute ist Elternabendtag«, sage ich und bitte ihn, pünktlich nach Hause zu kommen. Er nickt und zieht unserem Sohn Schuhe, Jacke, Mütze an. Die beiden verabschieden sich von mir und machen sich auf den Weg, zum Auto, zum Kindergarten, ins Büro.
    Ich starte die Spülmaschine und programmiere die Waschmaschine so, dass die Wäsche geschleudert ist, wenn ich nach Hause komme. Dann beziehe ich die Betten frisch und vertreibe das letzte bisschen Krankheit.
    Auf dem Weg zum Bus kaufe ich mir einen Cappuccino und ein Croissant in der Bäckerei. Einfach so. Und obwohl ich zu Hause ein Honigbrot gegessen habe. Ich setze mich im Bus ans Fenster und beiße in das Croissant. Dazu ein Schluck Kaffee. Wunderbar. Ich klemme den Kaffeebecher zwischen meine Knie und hole dann mein Handy aus der Tasche. Ziel: der Kalender. Als Erstes suche ich nach meinem Highlight: Noch fünfzehn Wochen bis zum Familienurlaub. Dann klicke ich zum heutigen Tag. Was steht an? Um vier kommt meine Mutter, damit ich zu meiner Friseurin gehen kann. Sonst steht nichts im Kalender – bis auf die Dinge, die im Büro auf mich warten. Ein Gang in die Personalabteilung mit dem Attest für den gestrigen Tag. Eine Nachfrage in der Druckerei zum aktuellen Stand des Druckauftrags der Broschüre. Und etwas, das mir erst jetzt wieder einfällt – ein Gespräch mit meinem Vorgesetzten über die Präsentation, die mir den Montagabend verdorben hat. Darum wollte ich mich am Tag zuvor schon kümmern. Die Sekretärin des Vorgesetzten hat mir auf die Mailbox gesprochen. Ich hab’s total vergessen.
    Aber gestern war ich auch nicht im Büro, denke ich trotzig. Ich war entschuldigt, sogar mit Attest, also medizinisch und rechtlich abgesichert. Weil ich mich um mein krankes Kind kümmern musste. Das wusste auch mein Vorgesetzter. Warum lässt er seine Sekretärin trotzdem bei mir anrufen? Hat er neunzig Minuten nach dem Gespräch mit mir schon wieder vergessen, dass ich am Bett meines fiebernden Sohnes sitze? Hat er es mit Absicht vergessen? Als Revanche für den Ärger mit der Broschüre?
    Noch zwei Haltestellen, dann muss ich aussteigen. Ich könnte den Vorgesetzten danach fragen, warum er mich gestern so unter Druck gesetzt hat. Ich könnte sogar zum Betriebsrat gehen und melden, dass ich mich diskriminiert fühle als Angestellte mit einem Kind. Oder ich übergehe dieses Verhalten und lasse mich davon nicht beeinflussen, nicht aus der Ruhe bringen. Was ist die effizienteste Lösung? Kurzfristig sicher das Schweigen. Doch langfristig? Und solidarisch gesehen mit all den anderen angestellten Müttern in meiner Firma?
    Ich zerknülle die Papiertüte, in der mein Croissant war, steige aus dem Bus und werfe die Tüte in den Mülleimer. Die Ampel ist grün, ich gehe zügig zum Bürohaus und denke an meinen Sohn. Ist er wirklich schon gesund genug, wieder in den Kindergarten zu gehen? Beim Gehen kontrolliere ich mein Handy, ob ich einen Anruf aus dem Kindergarten verpasst habe. Am Aufzug angekommen frage ich mich, ob meine Sorgen nur vorgeschoben sind und ich nur wieder nach guten Ausreden suche, um mich nicht mit dem Büro auseinanderzusetzen. Ich drücke auf den Nach-oben-Knopf und warte.
    Pünktlich um 8:40 Uhr hält der Aufzug im fünfzehnten Stockwerk. Ich gehe in mein Büro, rufe der Sekretärin meines Vorgesetzten im Vorbeigehen ein munteres »Guten Morgen!« zu, das sie erwidert. Dann setze ich mich an meinen Schreibtisch. Meine Assistentin ist noch nicht da.
    Ich starte meinen Computer und öffne mein E-Mail-Programm. Neben einigen anderen Nachrichten empfange ich eine Mail von der jungen Kollegin. Sie ist krank und hofft, dass es ihr morgen wieder besser geht. Kreislaufprobleme, schreibt sie. Also stimmt es wirklich, dass sie schwanger ist, denke ich und arbeite mich durch meinen Posteingang.
    Um 9:25 Uhr habe ich einen Teil meiner To-do-Liste

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