Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Streidl
Vom Netzwerk:
Dieses herablassende Verhalten haben andere aus seiner Abteilung übernommen. Zwei Kollegen lassen immer noch Witze über sein Wickeldiplom fallen und sticheln bei jeder Gelegenheit, dass er sich ja so gut mit Babys auskennt nach dem zweimonatigen Crashkurs – der Kantinenbesuch unmittelbar vor und nach der Elternzeit war ein ganz schöner Spießrutenlauf.
    Ich bin ziemlich überrascht. Und erschrocken. »Warum hast du nie davon erzählt?«, frage ich. Mein Mann zuckt mit den Schultern. Er wusste, dass ich meine Kraft in dieser Zeit für zwei andere Dinge brauchte: für die Abnabelung von unserem Sohn, mit dem ich ja zuvor vierundzwanzig Stunden am Tag zusammen war, und für den anstrengenden Wiedereinstieg in meinen Job. »Ich wollte dir den Rücken freihalten, ganz einfach«, sagt mein Mann.
    So viele schlechte Gefühle für zwei Monate Zeit mit dem eigenen Kind – die einem berufstätigen Vater rechtlich zustehen. Jetzt bin ich nicht mehr überrascht, sondern zornig. »Ich bin froh, dass du es gemacht hast. Und stolz auf dich, dass du es durchgestanden hast«, sage ich. Er ist auch froh, sagt mein Mann. Und ein bisschen stolz. Aber er wäre noch viel stolzer, wenn er sich währenddessen mehr im Recht gefühlt hätte. Und nicht als jemand, der eine schlechte Idee bis zum Ende durchdrückt, aus Prinzip. »Sind denn zwei Vätermonate eine schlechte Idee?«, hake ich nach. Er schüttelt den Kopf. »Nein. Sie sind natürlich eine gute Idee. Aber die Strukturen, die in meiner Abteilung herrschen, machen die gute Idee zu einer schlechten.«
    Ich nicke. Und kann jetzt noch viel besser verstehen, dass er so euphorisch ist, diese Abteilung durch eine Beförderung verlassen zu können. Was ich nicht aussprechen möchte, ist meine Befürchtung, dass die Strukturen nicht nur mit der Abteilung zu tun haben, in der er sich befindet. Sondern mit dem ganzen Betrieb. Vielleicht sogar mit dem ganzen System.
    Um 22:30 Uhr gehe ich ins Bett. Eigentlich müsste ich viel müder sein, nach der schlechten Nacht und den ganzen Sorgen. Andererseits bin ich heute viel weniger gerannt als an den Tagen, an denen ich auch zur Arbeit muss. Bis auf den Weg zum Kinderarzt und die Telefonate mit dem Büro war es ein fast schon ruhiger Tag. In Sachen Effizienz war es ein unterdurchschnittlicher Tag. Ich könnte den Wecker auf drei Uhr heute Nacht stellen, ein Zeitfenster schaffen für emsiges Kuchenbacken und fleißiges Bettwäschebügeln. Die Vorstellung ist so absurd, dass ich laut kichere. Wahrscheinlich würde der Kuchen im Ofen verbrennen. Oder der Bettbezug unter dem heißen Bügeleisen verschmoren.
    Mein Mann sitzt im Wohnzimmer vor dem Fernseher. Wir müssen einen Babysitter finden, denke ich. Vielleicht eine Studentin. Dann schlafe ich ein.

DONNERSTAG
    »Tika will einen warmen Kakao.« Ich öffne die Augen. Da steht mein Sohn. Es ist 6:43 Uhr. Er hat durchgeschlafen. Er ist fieberfrei. Also zurück in den Alltag. Aufstehen. Anziehen. Honigbrot. Müsli. Kakao. Kaffee. Kindergarten. Büro. Der Wecker klingelt.
    Beim Frühstück erzählt mein Mann von der Fernsehsendung, die er am Abend zuvor gesehen hat. Eine Talkshow, in der darüber diskutiert wurde, ob Frauen über Quoten in Führungspositionen kommen sollen. Unter anderem saß ein ehemaliger BDI -Präsident da. »So alt wie mein Vater ist der«, sagt mein Mann. »Mit genau denselben komischen Ansichten.« Dieser BDI -Präsident hat in seinem ganzen Arbeitsleben keine Frau als Vorgesetzte gehabt. 13 Und kann sich auch nicht vorstellen, wie das wäre, Anweisungen von einer Frau zu bekommen. Wenn er eine Chefin hätte, so der Alt- BDI -Präsident, würde er sich fragen, ob sie hübsch ist. Und vor lauter Nachdenken über ihr Aussehen würde er dann das eigentliche Arbeiten total vergessen.
    Ich ärgere mich über diesen BDI -Präsidenten. Alt, arrogant, vielleicht schon senil. Andererseits kann ich mir gut vorstellen, wie er war, als sein Rentenalter noch kein mildernder Umstand für sein ignorantes Gerede war. Ich stelle fest, dass ich noch nie darüber nachgedacht habe, ob mein Vorgesetzter gut aussehend ist. Oder männlich. Und dass ich ihn, wenn ich jetzt darüber nachdenke, ziemlich geschlechtslos finde – rein äußerlich. Ich könnte noch nicht mal sagen, ob er blaue oder grüne Augen hat. In seinem Verhalten bemerke ich durchaus männliches Gehabe 14 : von der aufgeplusterten Einführungsrede auf dem Jour fixe, der alle Anwesenden zuhören müssen, über seine oft ganz schön

Weitere Kostenlose Bücher