Kann ich gleich zurueckrufen
Mein Sohn steht geduldig neben mir und hält meine Hand. Ich höre weiter dem Gespräch der beiden Frauen zu.
»Hast du dich denn schon um einen Krippenplatz gekümmert?«, fragt die ältere Frau. Die jüngere schüttelt den Kopf. Die ältere erklärt ihr, dass es jetzt schon zu spät dafür ist. Und dass sie vielleicht was Eigenes gründen muss, wenn sie nicht die nächsten drei Jahre daheim und auf dem Spielplatz verbringen möchte.
Eigentlich finde ich die Idee hinter Kinderläden oder Elterninitiativen gut. Man löst ein Betreuungsproblem, weist die Öffentlichkeit darauf hin, dass es einen Mangel an Betreuungsmöglichkeiten gibt, und hat auch noch Einfluss darauf, wie die Betreuung gestaltet wird. Doch dass ich etwas selbst aufbaue, eine Krippe, einen Kindergarten, das kann ich mir nicht vorstellen. Vielleicht weil ich Glück hatte und nicht verzweifelt genug war. Ja, die Suche war auch bei uns, trotz Großstadt mit fast flächendeckenden Angeboten, schrecklich: viele Kitas, viele Gespräche, viele Absagen.
Es war Zufall, dass ich meinen Sohn in einer Krippe nahe unserer Wohnung unterbringen konnte, ganz knapp bekamen wir einen Kindergartenplatz für ihn, den wir zu Fuß erreichen können. Ich glaube aber, wenn das nicht geklappt hätte, dann wäre ich nicht zur Arbeit zurückgekehrt. Hätte aufgegeben, auf den viel beschworenen Erwerb von Sozialkompetenzen, von denen ein Krippen- und Kindergartenkind profitiert, verzichtet. Und auf mein Comeback im Büro. Andererseits hätte ich mich dann in die Reihe der Latte-macchiato-Mütter stellen müssen … Ich kann Leute auf jeden Fall verstehen, die sich in einer Elterninitiative engagieren. Auch wenn ich die eine, die ich kennengelernt habe, ziemlich unmöglich fand. Nicht nur wegen der Zu-früh-zu-spät-kommen-Kasse.
»Wenn Sie berufstätig sind, ist das der falsche Ort für Sie.« So lautete eine Maxime der Chefin von besagter Elterninitiative. Diese Chefin verlangte nicht nur eine unglaublich hohe Monatsgebühr (600,00 Euro plus 90,00 Euro Essensgeld), sondern auch einen enthusiastischen Einsatz der Eltern. Drei Elternabende im Monat – und dann mussten die Mütter, die ja nicht berufstätig sein sollten, auch noch beim Putzen helfen. Wahlweise Böden oder Fenster. Ob sie nun zu Hause Lappen und Eimer schwingen würden oder in der Kita – sie täten es ja an beiden Orten für ihre Kinder, so die Kita-Leiterin. Ich weiß nicht, ob auch ein schrubbbereiter Vater akzeptiert worden wäre, der ein Kind mit einer Vollzeitkarrierefrau großzieht.
Endlich sind wir an der Reihe. Ich bestelle ein Schokoladeneis für meinen Sohn und einen Eiskaffee für mich. Wir setzen uns an den einen der beiden Bistrotische, der inzwischen frei geworden ist. Der Kleine löffelt langsam das Eis aus dem Pappbecher. Ich nehme einen Schluck Eiskaffee. Wunderbar. »Du sollst hier nicht fahren. Weil ich es dir sage«, höre ich die ältere Frau vom Nebentisch. Gemeint ist ihr Sohn, der immer noch auf seinem Skateboard Runden um die Bistrotische zieht. Weil ich es dir sage – auch ein Leitsatz des Erziehungskonzeptes dieser Elterninitiative, in das sich aber weder Väter noch Mütter einmischen durften. Die Chefin hatte die Konzepthoheit, mischte Montessoripädagogoik mit antiautoritären Methoden, ließ Kinder aber auch in die Ecke stellen, wenn beim Essen gekleckert wurde. Daneben prahlte sie mit ihrem selbst designten Raumkonzept, das mich an Schöner Wohnen erinnerte. Der Schlafplatz für die Kinder war über eine Wendeltreppe zu erreichen und befand sich durch eine extra eingezogene Decke quasi im Hochparterre. Ein schlauer architektonischer Einfall: Die Kita hatte die Räumlichkeiten einer alten Werkstatt übernommen, mit dem zusätzlichen Stockwerk wurde die gesamte Raumhöhe genutzt. Nicht so schlau war aber, dass der Schlafplatz nicht mit einem anständigen Geländer gesichert war: Nur eine Handbreit hoch war das Gitter, das die Kinder vom Sturz auf den darunterliegenden Boden bewahren sollte. Als ich die Kita-Leiterin darauf ansprach, reagierte sie sehr zickig. Aus Sicherheitsgründen dürfen Kinder nur dort oben sein, wenn eine Erzieherin dabei sei – Auflage der Stadt. »Aber im Vertrauen«, sagte sie dann, »wenn ein Kind so dumm ist, dass es statt im Bett zu schlafen lieber aus dem Bett fallen will, dann haben die Eltern ihren Erziehungsauftrag gründlich versaut.«
Mein Sohn isst sein Eis ohne Kleckern, ich bin begeistert. Ich ziehe kurz das Handy raus, 15:29 Uhr. Wir
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