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Kannst du mir verzeihen

Kannst du mir verzeihen

Titel: Kannst du mir verzeihen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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erste Runde einläutete.
    Edith war bei Hanny aufgetaucht und hatte festgestellt, dass a) das Cottage nicht abgeschlossen, b) die Vespa verschwunden und c) ein junger Welpe allein zu Hause war. Sie hatte sofort beim örtlichen Krankenhaus angerufen und danach bei der Polizei. Bingo! Mit wehenden Flatterklamotten machte sie sich sofort auf den Weg zur Wache, am Arm eine zum Hundekörbchen umfunktionierte Handtasche.
    Nancy freute sich natürlich, aus ihrer Einsamkeit erlöst zu werden, aber sie war nicht ganz begeistert von ihrem Versteck – obwohl sie immerhin ein paar essbare Sachen darin gefunden hatte. Und nun blickte sie mit großen schwarzen Augen so unendlich traurig in die Welt, als säße nicht ihr Frauchen, sondern sie selbst im Gefängnis.
    Aber sobald sie ihre geliebte Hanny hereinkommen sah, fing sie vor Freude an, in der Tasche mit dem Schwanz zu wedeln, was ein so putziger Anblick war, dass Hanny laut lachen musste.
    Auch Hanny bot einen seltsamen Anblick: großflächig mit Rotwein bespritzt, das blonde Haar vom Rioja eingefärbt und auf der Zellenpritsche sehr ungünstig getrocknet. Sie wäre glatt als lebensgroße Lumpenpuppe durchgegangen.
    Â»Du siehst aus, als hättest du dich geprügelt«, waren Ediths erste an Hanny gerichtete Worte. »Hast du ihr ordentlich die Meinung gegeigt?«
    Hanny tat, als hätte sie keine Ahnung, wovon Edith redete.
    Alle wussten, was passiert war, das ganze Land redete offenbar darüber.
    Also brauchte sie es nicht zu tun.

Hanny schlug die Augen auf und empfand einen Anflug von Panik, weil sie im ersten Moment nicht wusste, wo sie war. Doch dann streckte sich Nancy neben ihr und machte beim Gähnen dieses typische, drollige Geräusch, das zufriedene Welpen in ihrer Kehle erzeugen – und Hanny fiel zu ihrer großen Erleichterung ein, dass sie zu Hause in ihrem Bett lag.
    Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie also in einer Zelle gewesen. Irgendwann war wohl für alles das erste Mal.
    Nachdem Edith sie nach Hause gebracht hatte, war Hanny ins Bett gefallen und sofort eingeschlafen, obwohl sie doch bereits den halben Nachmittag verschlafen hatte, und nun wachte sie von den ersten Sonnenstrahlen an diesem Wintertag auf.
    Sie dachte an den Unfall und versuchte sich zu erinnern, ob sie sich irgendwelche Verletzungen zugezogen hatte. Nein, hatte sie nicht. Jedenfalls keine körperlichen. Aber wenn sie an Bastian dachte, tat ihr nach wie vor alles weh. Sie fühlte sich, als klemmten ihre Eingeweide in einem Schraubstock.
    Und dann hörte sie ihn. Natürlich wusste sie, was er ihr heute brachte: das vierte Dutzend Éclairs. Sie ertappte sich bei der Vorstellung, die Éclairs, die sie vor der Haustür erwartete, einen nach dem anderen durch Bastians Briefschlitz zu schieben. Oder vielleicht dahin, wohin der Schriftsteller Gough, wenn es nach Jai ginge, sich seine Allüren schieben konnte. Gleichzeitig merkte sie, dass sie die Dinger dringend essen musste. Sie waren einfach der perfekte kulinarische Trost, und den hatte sie dringend nötig.
    Nach einer ausgiebigen Dusche öffnete Hanny schwungvoll die Tür, um sich die Éclairs zu schnappen – und sah sich unvermittelt Edith gegenüber. Ihre Freundin, die sich selten an die Vorgaben der landläufigen Etikette hielt, hatte die Schachtel bereits geöffnet und das erste Éclair schon halb verzehrt.
    Â»Bedien dich.« Hanny zog die Augenbrauen hoch.
    Â»Schon passiert.« Edith schämte sich überhaupt nicht. »Mann, sind die wieder lecker. Und du kannst ihm wirklich nicht verzeihen? Und wenn es nur dafür ist, dass er ein göttlicher Koch ist?«
    Bei den restlichen Éclairs und einer Tasse Kaffee, am Tisch in der vom Aga und der Wintersonne erwärmten, gemütlichen Küche, redete Hanny sich den Kummer von der Seele. Nach jenem Moment der Zweisamkeit mit Eddie auf der Zellenpritsche fiel es ihr auf einmal leichter, endlich jemandem die Wahrheit zu erzählen.
    Edith hörte ihr ausnahmsweise mal aufmerksam zu, doch ihr war so gut wie keine Reaktion anzusehen. Höchstens ein winzig kleines Anzeichen der Überraschung.
    Â»Das heißt, er hat eigentlich gar nicht wirklich etwas getan?«
    Â»Nach dem, was ich gesehen habe, kann ich mir meinen Teil denken. Außerdem hat er sie geküsst, das hat er mir danach sogar gebeichtet, als er mir zum zigsten Mal auf den Anrufbeantworter gesprochen

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