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Kannst du mir verzeihen

Kannst du mir verzeihen

Titel: Kannst du mir verzeihen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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hatte ihr mehr als gesunder Appetit sie bisher noch durch jede emotionale Krise gerettet – so auch an diesem Abend. Das als Vorspeise servierte Lachsmousse zerfloss binnen weniger Sekunden köstlich auf ihrer Zunge.
    Und dann kam der Coq au Vin, Rosemarys Spezialität. Die Dame des Hauses höchstpersönlich trug die duftenden Schüsseln ähnlich feierlich herein wie der Fackelläufer das olympische Feuer. Hanny schloss die Augen und sog den wunderbaren Duft ein, eine herrliche Mischung aus Rosmarin, Thymian, Tomate, Pfeffer und kräftigem Rotwein. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen.
    Rosemary honorierte Hannys offensichtliche Wertschätzung damit, dass sie ein klein wenig auftaute und ihr den sofortigen Griff nach dem Salzstreuer ausnahmsweise nachsah. Normalerweise quittierte sie das Nachwürzen der von ihr zubereiteten Speisen mit einem Stirnrunzeln, aber dieses Mal sah sie darüber hinweg und unterhielt sich mit ihrem Sohn.
    Doch kaum hatte Hanny den silbernen Streuer umgedreht, um ihm eine Prise Salz zu entlocken, fiel auch schon der Deckel des Familienerbstücks ab, sein gesamter Inhalt landete in Rosemary Summers berühmtem Coq au Vin und machte ihn ebenso ungenießbar wie eine Schüssel Meerwasser.
    Hanny geriet in Panik. Um nicht unhöflich zu sein, machte sie sich daran, dennoch etwas von ihrem Teller zu essen, gab aber schon bald wieder auf. In ihrer Verzweiflung leerte sie schließlich Gabel für Gabel in ihre am Stuhl hängende Handtasche.
    Wenn es etwas gab, das Rosemary Summers ganz besonders mochte, dann Frauen, die nicht im Essen herumstocherten. Entzückt stellte sie fest, dass Hannys Teller leer war, und schenkte der Neuen das erste Lächeln des Abends. Sie bot ihr ein weiteres Glas Wein an und stellte ihr auf einmal Fragen, statt weiter einfach nur dazusitzen und darauf zu warten, dass sie irgendetwas falsch machte.
    Als das Dessert, eine großartige Schokoladenrolle, kam, sammelte die immer noch hungrige Hanny weitere Pluspunkte, indem sie sich zweimal nahm. Zu diesem Zeitpunkt kam Rosemary zu dem Schluss, dass ihr Sohn womöglich zum ersten Mal in seinem Leben ein Mädchen mit nach Hause gebracht hatte, das sie mögen könnte.
    Alles wäre also super gelaufen, wenn nicht Norbert, der Hund des Hauses, sehr genau beobachtet hätte, wohin Hannys Coq au Vin verschwunden war. Entsetzt musste Rosemary während der abschließenden Kaffeerunde zusehen, wie der Labrador geifernd die Schnauze in Hannys Handtasche versenkte, und sie dann sichtlich zufrieden und mit Coq beschmiert wieder herauszog. Und wie er schließlich, weil er das viele Salz nicht vertrug, alles auf den cremefarbenen Teppich erbrach.
    Unter zahllosen Ausdrücken des Bedauerns verließen Bastian und Hanny das Haus genauso schnell, wie der versalzene Coq au Vin Norberts Magen verlassen hatte.
    Im Auto umklammerte Hanny ihre nunmehr leere, aber übel riechende Handtasche und stierte bange durch die Windschutzscheibe in die Nacht.
    Bastian hatte sich einfach nur zu ihr umgedreht und sie angesehen.
    Schweigend.
    Bis Hanny seinen Blick endlich erwiderte.
    Und dann hatte er laut losgelacht.
    Er konnte sich überhaupt nicht mehr beruhigen und nahm sie, immer noch lachend, in den Arm.
    Â»Bist du nicht sauer?«
    Â»Sauer? Auf dich? Weil du es meiner Mutter recht machen wolltest? So sehr, dass du dafür deine Handtasche mit versalzenem Coq au Vin ruinierst? Hanny, du bist großartig. Du bist die einzige ...« Und genau so abrupt, wie er angefangen hatte zu lachen, hörte er jetzt auch wieder damit auf. Er fixierte sie mit seinen wunderbaren, unendlich sanften Augen und sprach sehr ernst weiter: »Du bist die Einzige.«
    Und da sagte er es ihr zum zweiten Mal.
    Und sie erwiderte es zum ersten Mal.
    Und die Erwiderung fühlte sich so richtig an. So wunderbar.
    Und dann hatten sie sich geküsst, die müffelnde Handtasche zwischen ihnen, und mitten in diesen ausgiebigen, leidenschaftlichen, innigen Kuss hinein hatte Hannys Magen laut und vernehmlich geknurrt.
    Auf dem Nachhauseweg hatte er beim Chinesen gehalten und dort etwas zu essen geholt. Sie machten ein chinesisches Picknick im Bett, und es war eine der besten Mahlzeiten gewesen, die sie je zusammen eingenommen hatten.
    Und von jenem Tag an hatte Bastian an jedem Dreizehnten eines Monats etwas vom Chinesen besorgt.
    Edith hatte das Essen also nicht spendiert –

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